Religion, Toleranz, Rassismus im Wirkungsspektrum der Philosophie John Deweys – mit einem Seitenblick auf 100 Jahre „Demokratie und Erziehung“

By Hein Retter | September 7, 2016

Zusammenfassung: Im Zentrum des Beitrages stehen Religion, Toleranz und Demokratie in der Philosophie John Deweys – unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kontexte. Angesichts der in den USA eskalierenden Gewalt gegenüber Afroamerikanern, die Gegengewalt erzeugt, stellt sich die Frage: Welchen Stellenwert besaß Toleranz in Deweys Demokratievorstellung? Mit welchem Erfolg setzte Dewey seinen pragmatischen Instrumentalismus als tool ein, um offenen Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft zu bekämpfen? Zur Klärung der Fragen bedarf es eines Blickes auf Entstehung und Rezeption des Pragmatismus wie auf die Geschichte der Toleranz. Der Versuch einer Antwort lässt hundert Jahre nach Erscheinen von „Democracy and Education“ das nüchterne Urteil zu, dass Deweys Erziehungsphilosophie weniger leistete, als sie in Aussicht stellte. Zwei Thesen werden diskutiert: „Democracy and Education“ ist nur voll zu verstehen auf dem Hintergrund der Einheit von Demokratie und Religion beim frühen Dewey. Zweitens: Deweys Sozialphilosophie ist säkulare Theologie. Sie vermochte kaum, dem „color problem“ der amerikanischen Gesellschaft beizukommen, wohl aber, den Glauben an die Demokratie zu stärken.
Schlüsselwörter: John Dewey, Pragmatismus, Religion, Toleranz, Rassismus, Demokratie

Summary (Religion, Tolerance, Racism in the Action Spectrum of the Philosophy of John Dewey -– With a Side Glance to 100 Years of “Democracy and Education”): Religion, tolerance and democracy in the philosophy of John Dewey are at the centre of this contribution, with specific attention tho their contexts. In view of the escalating violence against Afro-Americans in the USA, which produces counterviolence, the question arises: What was the significance of tolence in Dewey’s conception of democracy? How successful was Dewey in using his pragmatic instrumentalism as a tool against open racism in American society? To answer these questions it is necessary to look at the origin and reception of pragmatism and the history of tolerance. A hundered years after the publication of „Democracy and Education, the the attempt of an answer leads to the realistic conclusion that Dewey’s educational philosophy promised more than it achieved. Two theses are discusssed: „Democracy and Education“ can only be fully understood against the background of a unity of democracy and religion in Dewewy’s early work. Secondly: Dewey’s social philosophy is a secular theology. While it could hardly reach the „color problem“ of American society, it was able to strengthen the belief in democracy.
Keywords: John Dewy, 100 years of „Democracy and Education“, pragmatism, religion, tolerance, racism, democracy

Резюме (ХейнРеттер:Религия, толерантность, расизм в спектре действия философии Джона Дьюи – с кратким обзором 100-летней годовщины «Демократии и воспитания»): В центре данной статьи находятся религия, толерантность и демократия в философии Джона Дьюи – при особом учете ее контекстов. Перед лицом разгорающегося в США насилия в отношении афроамериканцев, которое вызывает ответное насилие, возникает вопрос: какое значение имела толерантность в представлении демократии Дьюи? С каким успехом применял Дьюи свой прагматический инструментализм как средство в борьбе против открытого расизма в американском обществе? Для выяснения вопросов необходимо рассмотреть возникновение и рецепцию прагматизма, а также историю толерантности. Попытка ответа, спустя сто лет после появления на свет «Демократии и воспитания», допускает здравое суждение о том, что философия воспитания Дьюи сделала меньше, чем она обещала. Рассматриваются два тезиса: «Демократии и воспитания» следует понимать полностью лишь на фоне единства демократии и религии у раннего Дьюи. Второе: социальная философия Дьюи является секулярной теологией. Она была едва ли в состоянии справиться с «цветной проблемой» американского общества, но укрепляла веру в демократию.
Ключевые слова: Джон Дьюи, 100 лет «Демократии и воспитания», прагматизм, религия, расизм, демократия


Einführung

Der klassische Pragmatismus gilt heute als der bedeutendste originäre Beitrag US-Amerikas zur Philosophie des späten 19. und des 20. Jahrhundertes. Als seine Gründungsväter sind neben einer Reihe weiterer Ideengeber Charles Sanders Peirce (1839-1914), William James (1842-1910) und John Dewey (1859-1952)·zu nennen. Über ihre familiäre Herkunft, ihren Bildungsweg, ihre Philosophie und ihre persönlichen Beziehungen zueinander informiert lesenswert Louis Menand (2001). Hervorragende Einführungen in den klassischen Pragmatismus gaben Klaus Oehler (1995) und Helmut Pape (2002). Das neue Interesse am klassischen Pragmatismus im deutschsprachigen Raum war nicht zuletzt Hans Joas (1992) zu verdanken, es erreichte auch die Erziehungswissenschaft im Zuge der Dewey-Renaissance (Tröhler & Oelkers, 2005; kritisch Retter, 2007). Dies darf allerdings nicht den Blick dafür trüben, dass die drei oben als „Gründungsväter“ Bezeichneten ihre Philosophie keineswegs als eine unter dem Label „Pragmatismus“ stehende Denkschule betrachteten,. Heute ist in der Fachphilosophie eher das Interesse erkennbar, die Eigenständigkeit ihres Denkens zu betonen und ihnen allenfalls eine gemeinsame philosophische Einstellung zuzubilligen (Särkelä, 2015, S. 1072f.). Der Bezugspunkt „Religion“ dieses Beitrages gibt wiederum Anlass, einige Aspekte ihres Denkens demselben Fokus zu unterstellen.

Ausgangspunkte des pragmatischen Weltverstehens

„Pragmatismus“ leitet sich ab vom griechischen Wort pragma, Handlung. Der Begriff Pragmatismus stammt von Peirce (1976, S. 315), der sich dabei an Kants Unterscheidung von physiologischer und pragmatischer Anthropologie anlehnte. Letztere betrifft das, was der Mensch „als frei handelndes Wesen aus sich selbst macht, oder machen kann und soll“ (Kant, 1977, S. 399). Die „pragmatische“ Rekonstruktion der Erkenntnis öffnete den Blick für ein ganzheitliches und nüchternes Weltverstehen, dem gleichwohl optimistische Visionen nicht fehlten. Sie stand unter dem Versprechen, die Wissenschaft mit dem Leben wieder zusammen zu führen.

Peirce, James und Dewey besaßen unterschiedliche Ausgangs- und Bezugspunkte für ihre Philosophie. Einig war man sich in der Kritik an Kants Erkenntnislehre, die am weitestgehenden bei Dewey auftrat (EW 1, S. 34ff., MW 15, S.8ff.; LW4, S. 49ff.). Nichtsdestotrotz wird heute der Standpunkt vertreten – wie er sich schon 1913 in der Vorrede zum Hauptwerk des Neukantianers Vaihinger andeutete –, dass die frühen Pragmatisten in ihrer Kritik Kants eher eine Spielart des Nachkantianismus boten, als dass sie völlig von ihm loskamen (Gava & Stern, 2016). Es ging Peirce, James und Dewey primär darum, die begrifflichen Trennungen aufzuheben, die die Philosophie der Aufklärung im Zuge ihrer Ablösung von den Dogmen der christlichen Religion wie von der Scholastik vollzogen hatte. Ausgangspunkt der Kritik der Pragmatisten am Zustand der europäischen Philosophie seit dem 17. Jahrhundert war die Scheidung von Körper und Geist, Denken und Handeln, Sollen und Sein, Wert und Welt, a priori- und a posteriori-Urteil.

Der Siegeszug der Darwinschen Evolutionstheorie hatte einen nicht geringen Anteil daran, die Konzeptionen des klassischen Pragmatismus zu etablieren. Die mit den sichtbaren Veränderungen der Welt durch Technik und Naturwissenschaften abgrundtief gewordene Entfremdung zwischen Theologie und tradierter Philosophie auf der einen Seite, science auf der anderen Seite verhinderte jeden Versuch einer Antwort auf die Grundfrage der wissenschaftstheoretischen Diskussion: Durch welche Kriterien sind Wert und Wahrheit von Theorien valide überprüfbar? Das Problem war um 1900 in Europa wie in Amerika akut. Der frühe (klassische) Pragmatismus wollte es lösen, doch seine Vorschläge dazu wichen weitgehend ab von den Sichtweisen der Denkschulen Europas.

Die geistigen Wurzeln des Pragmatismus liegen dennoch in Europa. Dies zu betonen war besonders ein Anliegen von William James, der den Pragmatismus im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhundert als die neue Philosophie Amerikas populär machte. Das Buch, mit dem er dies leistete, ging hervor aus einer Reihe von Vorlesungen. Es erschien 1907 und trug den Titel „Pragmatism: A New Name for Some Old Ways of Thinking“. Der Band fand in den USA weithin Anerkennung; Europas Intellektuelle reagierten deutlich zuückhaltender, auch wenn es eine Reihe von namhaften Philosophen und Pädagogen gab, die offen waren für die neuen Impulse aus den USA.

Ein Jahr später, im Herbst 1908, wurde der amerikanische Pragmatismus zum erwartungsgemäß kontrovers diskutierten Hauptgesprächsstoff des Dritten Internationalen Kongresses für Philosophie in Heidelberg (Elsenhans, 1909). Wenige Philosophen aus den USA nahmen als Referenten teil an der Konferenz (allerdings nicht die genannten „Gründungsväter“). Ihre Vorträge ließen den Schluss zu, dass „Pragmatismus“ keineswegs so einheitlich zu sehen war, wie er nach außen hin wirkte. Auch in seinem Ursprungsland wurde er von einer Reihe von Universitätsphilosophen eher skeptisch bewertet, insbesondere von jener Generation, die nach eigenen Studien in Europa unter dem Einfluss der Schulen Kants und Hegels standen.

William James’ Pragmatismus-Text von 1907 ist online der Allgemeinheit zugänglich. Der Band wurde sehr schnell zur „Bibel“ des Pragmatismus und ist es bis heute geblieben; doch Popularisierung birgt auch die Gefahr der Simplifizierung. So wurde bis zum Zweiten Weltkrieg in Europa nur James, doch kaum Peirce oder Dewey als Vertreter der Philosophie des Pragmatismus wahrgenommen, weil sie – aus unterschiedlichen Gründen – kein Werk zu diesem Thema veröffentlichten und den Begriff, anders als James 1907, nicht zum Programm ihrer Philosophie erhoben, ja partiell – wie bei Dewey nachweisbar – eher kritisch bewerteten.

James ging es darum zu zeigen, dass das von ihm humorvoll vorgestellte Konzept, dass an die Stelle von absoluten Wesens- und Wahrheitsbegriffen, die an den Problemen des Alltags zumeist scheitern, funktional-prozesshafte, handhabbare Theorien setzt, die ihren Nutzungserfolg zu einem wichtigen Kriterium für ihren Wahrheitsanspruch machen unter Verzicht auf „objektive“, subjektunabhängige Kriterien für Wahrheit. Andererseits betonte James,, dass am Handlungserfolg orientiertes Denken seit seinen Ursprüngen in der Antike immer auch Bestandteil der abendländischen Philosophie gewesen sei. Als eng verwandt mit den eigenen Anschauungen bezeichnete er den „Humanism“ des deutschstämmigen, in Oxford lehrenden F.C.S. Schiller. Bezogen auf die USA verwies er auf Deweys „Studies in Logical Theory“ (in MW 2).

James nahm nicht in Anspruch, Urheber der Philosophie des Pragmatismus zu sein. Vielmehr betonte er, dass Peirce diese Ehre gebühre. In der Tat gehen Ursprungsort, Ursprungsschrift und Ursprungsmaxime des frühen Pragmatismus auf Peirce zurück (Raters, 2015, S. 14f.): Als dessen Gründungsort gilt der 1872 von Peirce mit einem kleinen Kreis von Intellektuellen in Cambridge (Boston, Mass.) im geistigen Umfeld der Harvard Universität gegründete „Metaphysical Club“, der allerdings nur ein Jahr bestand;. Als Gründungsschrift des Pragmatismus kann man Peirces Aufsatz von 1877 „The Fixation of Belief“ betrachten. Als pragmatische Maxime gilt der 1878 von Peirce formulierte Satz: „Überlege, welche Wirkungen, die denkbarerweise praktische Relevanz haben könnten, wir dem Gegenstand unseres Begriffs in unserer Vorstellung zuschreiben. Dann ist unser Begriff dieser Wirkungen das Ganze unseres Begriffes des Gegenstandes“ (Peirce, 1986, S. 195).

Nicht das Wesen einer Sache – etwa das Gute – sondern der Nachweis von Wirkungen wird zum zentralen Bewährungskriterium; schließlich kann man Gutes nur feststellen, wenn es sich zeigt. Gilt dies auch für Gott? So könnte man fragen. Durchaus, lautet die Antwort, aber daran muss man glauben. Die Differenz zwischen Wissen und Glauben wird im Pragmatismus Peirces aufgehoben: Wenn man etwas genau weiß, dann glaubt man daran. Diese Sicht eröffnet nicht nur dem Begriff der „Wirkung“ – und dem des Zweifels – einen weiten Spielraum, sondern ist auch eine Einladung für Missverständnisse: Was keine Wirkung hat, wäre – so gesehen – zu vernachlässigen. Doch ist pures „Sosein“ ohne Wirkung damit als“ nicht existent“ qualifiziert? Und schon beginnt die Diskussion.

Mit seiner „pragmatischen Maxime“ wollte Peirce das Denken klären, um die Festigung von Überzeugungen zu ermöglichen. Er nannte ab 1905 seine eigene Philosophie „Pragmatizismus“ mit der Begründung, dass er zu dem – schon vor James’ Buch von 1907 – als Modebegriff kursierenden „Pragmatismus“ Distanz wahre. Seine eigene Philosophie habe nichts zu tun mit den vielen existierenden Pragmatismus-Varianten. Die Spätphilosophie von Peirce war von James in der Tat kaum erfasst worden, wie diesem wohl selbst klar war. Doch auch James „pragmatische“ Sicht der Welt kam nicht erst 1907, sondern ein Jahrzehnt früher zum Durchbruch. Sie zeigte sich deutlich in Essays, die er im Band „The Will To Believe“ veröffentlichte. 1899 erschien eine gekürzte Ausgabe in Deutsch mit einer freundliche Einführung Friedrich Paulsens. Die Entdeckung von Pluralität im menschlichen Miteinander gewann James aus einer Sammlung von Aussagen historischer und lebender Personen, die deutlich machten, wie wichtig Menschen für den Sinn ihrer Existenz religiöse Erfahrungen halten (James, 1925). James’ Argument für die Religion lautete: Es gibt keinen rationalen Beweis, der religiösen Glauben hinfällig macht, doch der Glaube bedarf der inneren Zustimmung des Einzelnen, die nicht durch Rationalität abzuleiten ist (wie Kant dies versuchte), vielmehr durch das Gefühl vollzogen wird.

Der amerikanische Pragmatismus stellte sich nach 1900 der akademischen Welt als eine neue Logik vor. „Logik“ bildete zu diesem Zeitpunkt den Königsweg philosophischen Denkens. Abgesehen von der Ethik, war sie zum wichtigsten Teil der Universitätsphilosophie geworden, da sie, über allen anderen Teilbereichen stehend, zugleich Wissenschaftstheorie war, die sich mit den ungelösten Problemen der Epoche auseinander zu setzen hatte; eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen geistes- und naturwissenschaftlicher Erkenntnis, um die sich bereits Wilhelm Dilthey bemüht hatte, blieb eine ihrer Aufgaben. Unzutreffend ist die Annahme, dass der Pragmatismus die Wirklichkeit auf beobachtbare Wirkungen reduziere. Richtig ist, dass sich die Gründungsväter des Pragmatismus – im Unterschied zum Positivismus Auguste Comtes und zum Behaviorismus John Watsons – jedem reduktiven Szientismus entgegenstellten (Bellmann, 2007; Jung, 2016). Die programmatische Bezeichnung radical empiricsm (James) bzw. immediate empiricism (Dewey, MW 3, S. 158ff.) steht im amerikanischen Pragmatismus nach 1900 für den Grundsatz, dass die Wirklichkeit weder durch Begriffe (im Sinne des Descartesschen Rationalismus) noch durch isolierte Sinnesdaten (im Sinne des englischen Empirismus) erfassbar sei. Erfahrung, experience, wird zur neuen Basis eines ganzheitlich-organischen Weltbezuges, in dem Subjekt (Bewusstsein) und Objekt (Welt), nicht einen Gegensatz, sondern einen Funktionszusammenhang bilden.

Der mechanisch-atomistischen Deutung der Wirklichkeit setzt der Pragmatismus eine Alternative entgegen. Nach James (2006) stiften erfahrungsgespeiste Bedeutungen einen Bezug, der die Welt nicht als Chaos von isolierten Einzelheiten erscheinen lässt, sondern jede Einzelheit in einen größeren Zusammenhang stellt und sie dadurch begreifbar macht. Dewey betont mit dem Begriff des „instrumentalism“ die Zweckgerichtetheit des Denkens, die im Aufbau von Mittel-Zweck-Relationen Wissen nicht allein als Ergebnis, sondern als Prozess von Erfahrung begreife. Dieser Prozess erlaube, auch zukünftige Entwicklungen ansatzweise vorwegzunehmen.

Die Wirklichkeit ist nach Peirce, James und Dewey nur zu verstehen, wenn sie als eine erfahrbare, in ständiger Entwicklung befindliche komplexe Ganzheit aufgefasst wird. Metaphysik außerhalb der Erfahrung war vor allem für Dewey undenkbar. Doch viele seiner Vorstellungen von Realität beruhten nicht auf einer allseits erfahrenen Faktenlage. Es war vielmehr seine eigene subjektive, immer im Modus von zukunftsnaher Hoffnung generierte Erfahrung, die er verkündete. Wenn sich die Hoffnung dann doch nicht aufrecht erhalten ließ – wie in der großen Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre –, nannte er schlaglichtartig Gründe allgemeiner Art, die ihre Realisierung verhindert habe. Er deutete auch an, es handle sich um ein altes Problem, das eben noch nicht gelöst sei. Jedenfalls erscheinen bei Dewey die Grenzen zwischen Erfahrung einerseits, Spekulation andererseits keineswegs so deutlich gezogen, wie dies bei Kant der Fall war. Im Zusammenfallen von Wissen und Glauben bereitet es keine Schwierigkeit, den pragmatischen Weltbezug ebenso auf jenen Erfahrungsraum zu richten, der „die letzten Dinge“ betrifft und der religiösen Sphäre zugehört. Religiöse Erfahrung bildete für Peirce, James und Dewey (wenn auch in persönlich differenter Weise) die eigentliche Tiefendimension von Erfahrung (Deuser et al., 2016).

Wandlungen des religiösen Bezuges in der Erziehungs- und Sozialphilosophie Deweys

Deweys Text „A Common Faith“ von 1934 (in: LW 9) wird als seine Religionsschrift bezeichnet. Sie ist Ausdruck pragmatischer Wertschätzung religiöser Erfahrung. Generell besitzt der amerikanische Pragmatismus durch Einfluss des Neuenglischen Transzendentalismus (R.W. Emerson) einen „christlichen Erfahrungs- und Motivationshintergrund“, der bei Peirce, James und Dewey (ebenso bei weiteren Pragmatisten wie Deweys Freund George H. Mead und Deweys philosophischem Gegner Josiah Royce) unschwer zu finden ist (Habermas, 2012, S. 210). Religiöses Naturerleben und natürliche Frömmigkeit der Transzendentalisten wurden von Dewey geschätzt. Heute besteht kein Zweifel, dass Deweys Denken und Begrifflichkeit von Anfang an religiös durchwirkt waren – in einer Weise, die das Religiöse nicht auf innere Erfahrung beschränkte, sondern durch soziale Interaktion gesellschaftlich vermittelte (Rockefeller, 1991, S. 160ff.; Retter, 2005).

In den Anfängen seiner akademischen Karriere sah Dewey als frommer Puritaner einen engen Zusammenhang zwischen Christentum und Demokratie (Retter, 2009, S. 29ff.). Der junge Dewey interpretierte demokratisches Handeln und die demokratische Lebensform als Konsequenz der christlichen Offenbarung, die nicht einmaliger Akt sei, sondern sich um so vollkommener enthülle, je wirksamer soziale Barrieren, Benachteiligung, Vorurteile und Intoleranz überwunden werden können. Die Demokratie wurde für ihn, so gesehen, zum Maßstab für die Befreiung der göttlichen Wahrheit von ihren real existierenden Unvollkommenheiten, verursacht durch den Menschen, der in seiner Selbstsucht sich abschotte von anderen, um besser gestellt zu sein als sie. Erst in der Demokratie als einer Lebensform, in der die Gemeinsamkeit des Denkens und Handelns vorherrsche, könne die Inkarnation Gottes im Menschen Jesus als die zum Leben gebrachte Wahrheit wirklich verstanden werden, weil sie damit nicht in einer isolierten individuellen Sphäre verbleibe, sondern den Menschen in ihrer Verbundenheit als Gemeinschaft zuteil wird. Demokratisches Handeln gewinnt seine spirituelle Kraft durch die Offenbarung der christlichen Botschaft. Die dem Einzelnen bewusst werdende christliche Wahrheit macht als individuell wahrgenommene Wahrheit noch nicht wirklich frei. Ihre Freiheit gewinnt die Wahrheit erst in der Verwirklichung der Idee menschlicher Bruderschaft, die Jesus als das Reich Gottes verkündete. Erst wenn die Wahrheit die Öffentlichkeit, die Gesellschaft, erreicht, ist sie voll gültig und das Reich Gottes auf Erden wird Wirklichkeit.

Als Kongregationalist stand der junge Dewey unter dem Eindruck der Schriften des Theologen Elisha Mulford (1833-1885). Mit seinen Büchern „The Nation“, 1870, und „The Republic of God“, 1881, die Dewey kannte (EW 4, S. 4; MW 5, S. 594), sah Mulford die amerikanische Nation von Gott auserwählt, die christlich-demokratischen Werte zu verkünden, um das Ziel der Geschichte zu erfüllen: Aufhebung der Trennung von Gott und Vereinigung des amerikanischen Volkes im kommenden Reich (Mulford, 1870, S. 160).

Das Immer-Unterwegssein und die Aufhebung von Isoliertheit gehörten zur Philosophie Deweys. Bei Mulford finden sich die Grundüberzeugungen Deweys: Dass kein Mensch für sich lebt und stirbt, sondern sozialer Teilhabe fähig ist, dass die Nation dazu bestimmt sei, in Humanität und Bruderschaft zu leben, dass Ethik, Demokratie und soziale Teilhabe eine Einheit darstellen, dass Gottes Wille nicht die Separierung der Menschen sei in solche, die im Elend leben, und solche, die Glück erfahren, sondern Christi Botschaft allen gilt; dass der Mensch in der Lage sei, die ihm anvertraute Welt immer vollkommener zu gestalten (Mulford, 1897, S. 237-240). Die Begriffe „revelation“ (Offenbarung) und „reconciliation“ (Versöhnung) finden sich erstaunlich oft in Deweys Werk, nur dass sie von ihm später ihres theologischen Kontextes entkleidet wurden zugunsten einer innerweltlichen Ethik sozialer Teilhabe. Deweys Anliegen, die Demokratie nicht politisch, sondern sozialethisch zu begreifen, war dem Einfluss Mulfords verpflichtet – wie Abhandlungen Deweys vor seiner Berufung an die Universität Chicago 1894 erweisen.

„Einer trage des anderen Last“ zitierte Mulford den Apostel Paulus (Gal. 6,2), „for we are members one of another“ (Mulford, 1870, S. 237f.): Wenn Nachbarn sich in Wahrheit begegnen, fühlen sie sich einander verbunden, nur die Unaufrichtigkeit führe zu Isolation (ebd.). Kommunikation setzte bei Mulford wie bei Dewey wechselseitiges, durch spirituellen Austausch beflügeltes Vertrauen voraus. Kommunikation ermöglicht das Gelingen von Erziehung. Die öffentliche Schule wird dabei zum Ort sozialer Erfahrung (MW 8, S. 289; MW 9, S. 368). „The nature of sin“ (Mulford) ist entzweiende Selbstsucht. Vertrauen zum Anderen zu gewinnen heißt für Dewey, alles egoistische Streben zurückzunehmen. Das macht frei für soziale Teilhabe, Empathie und Wertbildung (Joas, 2000, S. 150-153).

Weil Dewey dank seiner Spiritualität den Glauben an die Qualität mitmenschlichen Vertrauens nie in Frage stellte, war für ihn Kommunikation „die wunderbarste Sache der Welt“ (LW 1, S. 132). So konnte er von „fraternally shared experience“ sprechen (LW 2, S. 371). Die im Glauben vollzogene Erhöhung öffnet die Bereitschaft zu gemeinsamem Verstehen. Gleiches gilt für das in glücklichen Momenten erfahrene Einssein mit der Natur. Das Erlebnis der Unendlichkeit des Kosmos ist Naturverstehen mit transzendentem Bezug. Der Glaube, faith, eröffnet die Chance, jede ihm widersprechende Faktenlage mit den eigenen Gewissheiten zu überschreiben. Nach Prüfung aller Argumente einhellig das als wahr zu glauben, was die Gemeinschaft dafür hält, entspricht dem pragmatischen Wahrheitskriterium. Eine Apriori-Differenz zwischen Erscheinung, Sein und Seinsollen existierte für Dewey nicht. Mulford bezeichnete Idee und Existenz Gottes als identisch. Im Glauben fallen sie zusammen.

Auf dieser Basis funktionierte Deweys Glaube an die Community-Demokratie als gelingende Kommunikation. Die Normalität von Beziehungsfallen, Differenzen zwischen der Intention einer Botschaft und ihrer Wahrnehmung durch ihren Empfänger, die benutzten Strategien zur Durchsetzung von offenen oder hintergründigen Interessen, die im Hintergrund laufenden Strategien der Mehrheitsbeschaffung um das eigene Interesse „demokratisch“ durchzusetzen, der Konkurrenzkampf, die Spielchen um Macht, das Geflecht von verdeckter Korruption und Vorteilsnahme, die empfangenen und ausgeteilten, aber selten justiziablen verbalen Demütigungen im Meinungsstreit, die Zurschaustellung der eigenen Lauterkeit, dies alles, was normal ist im politischen Betrieb, lag nicht im Zentrum der Wahrnehmung Deweys. Auch wenn er Vieles am Zustand der Gesellschaft kritisierte, führte dies kaum zum Zweifel an seinem harmonischen Bild einer von Natur aus gegebenen mitmenschlichen Verbundenheit aller Menschen miteinander, mit dem er jedem in die soziale Isolation führenden Individualismus entgegen zu treten suchte. Die Grundannahmen Deweys waren durch Erfahrung überhaupt nicht erfassbar, sondern bedeuteten die Wiedereinführung einer naturalistischen Metaphysik durch die Hintertür, die säkular-religiöse Züge besaß.

Dewey verstand seine Botschaft so zu verkünden, dass ihre Kritik an bestehenden Zuständen glaubwürdig geäußert wurde, doch dabei immer im Allgemeinen befangen blieb. Die Hoffnung auf Problemlösung richtete sich auf die Zukunft, die schon begonnen habe. So stärkte Dewey den Glauben an die Demokratie, die für Afroamerikaner völlig anders, nämlich als Instrument weißer Machtsicherung erfahrbar wurde, für ihn, Dewey, jedoch die Great Community darstellte. Gesellschaftliche Pluralität als Faktum wurde als Kennzeichen der modernen Demokratie von Dewey nicht immer mitgedacht, ihr Konflikte auslösendes Spannungsverhältnis zum Gemeinschaftsbegriff jedenfalls nicht analysiert. Tatsächlich befand sich Dewey immer auf einer Ebene des Ideals. Die Demokratie als Great Community zu denken war pragmatisch gesehen schon der erste Schritt ihrer Realisierung. Typisch für ihn war, dass er seine Vorstellung von demokratischer Öffentlichkeit – freie Kommunikation und Zirkulation von Ideen – als Projekt präsentierte, dessen Realisierung neue Bedingungen voraussetzte. Freimütig bekannte er, dass diese Bedingungen noch gar nicht vorhanden seien. Während der Wirkungszeit Deweys, insbesondere mit Einsetzen der Großen Depression in den USA Anfang der dreißiger Jahre, wurden viele Voraussetzungen für die Demokratisierung der amerikanischen Gesellschaft eher schlechter als besser, zumal für Afroamerikaner. So blieb die Idee der Great Community gläubige Fiktion. Ob man an einen Erlösergott im Himmel oder an eine Great Community als das kommende Paradies auf Erden glaubt, macht pragmatisch gesehen keinen großen Unterschied.

Schon in den Chicagoer Jahren (1894-1904) hatte sich Deweys religiöse Einstellung verändert hin zu einem wertgebundenen Humanismus. Religionen und christliche Kirchen kritisierte er nur noch als Macht ausübende Institutionen, doch Religiosität als individuelle religiöse Erfahrung blieb ihm nach wie vor wichtig. Den Wandel vom frommen puritanischen Christen zum erklärten Atheisten vollzog Dewey mit der Begründung, dass die christliche Religion den Menschen in Sündenangst und Abhängigkeit halte. Er verdrängte schlicht, dass die afroamerikanischen Kirchen die einzigen öffentlich tolerierten Einrichtungen waren, in denen viele Afroamerikaner sich angesichts ihrer gesellschaftlichen Ächtung solidarisierten, Trost und Hoffnung gewannen, Spirtualität freisetzten, ihrer Kultur Ausdruck verschaffen und als spirtuelle Gemeinschaft frei kommunizieren konnten.

Anders als William James (Seibert, 2009) war Dewey nicht in der Lage, die Wandlungsfähigkeit und Dynamik christlicher Gemeinschaften einzuschätzen, die heute durch ihre sozialen Dienste, ihre Offenheit und Hilfe für Menschen in Not, insbesondere Flüchtlinge, ein integraler Teil der Gesellschaft sind und die Willkommenskultur praktizieren. Jeder ist frei, in sie ein- oder auszutreten.

Dewey war davon überzeugt, dass der Mensch zur Transzendenz fähig sei, ohne dass er dazu des Glaubens an die Existenz einer höheren Macht bedarf. Diese spirituelle Kraft nannte er religiöse Erfahrung. Er schlug vor, den Begriff des Göttlichen zum Inbegriff aller kulturellen Werte und Leistungen der Menschheit zu machen und die Religion zu beseitigen. Das war liberal gedacht, doch problematisch, denn in jenen Diktaturen Europas, die Dewey bekämpfte, war die Politik der Beseitigung der Religion Wirklichkeit geworden zugunsten einer neu verkündeten Erlösung durch eine große nationalsozialistische bzw. realsozialistische Gemeinschaft. Dewey hätte klar sein müssen, dass sein – fehlgeschlagener – Versuch der Ausschaltung des Christengottes durch begriffliche Umwidmung zwar pragmatisch war, aber kaum Sensitivität für kulturelle Traditionen und reale Lebensverhältnisse besaß. Die „Befreiung“ von der Religion als notwendig zu bezeichnen und dazu aufzufordern, dieses Hindernis für allseitige Kommunikation niederzureißen, ist totalitäre Phantasie. Der Vorschlag des berühmten weißen Philosophen konnte „farbigen“ Minderheiten, die als gesellschaftlich Geächtete in ihrer Kirche Trost fanden, nur das Fürchten lehren. Doch sie standen soweit unten im Ranking der Gesellschaft, dass sie davon nicht erfuhren. Deweys Religionsschrift „A common faith“ endet mit den Worten:

„Die Dinge unserer Zivilisation, deren wir uns am meisten rühmen, sind nicht durch uns entstanden. Sie existieren durch die Gnade der Taten und die Summe der Leiden der sich fortpflanzenden menschlichen Gemeinschaft, von der wir ein Teil sind. Es ist an uns, das Erbe, das uns an Werten überliefert worden ist, zu hüten, es zu korrigieren und weiterzugeben, so dass wir es denjenigen, die uns folgen werden, gefestigter und gesicherter, mit noch breiteren Möglichkeiten des Zugangs (…) übergeben können, als wir es selbst übergeben bekommen haben. Hierin liegen alle Elemente religiösen Glaubens, und sie sollen nicht in den engen Rahmen einer Sekte, Klasse oder Rasse gesperrt werden. Ein solcher Glaube lag immer schon im gemeinsamen Glauben der Menschheit verborgen. Es ist an uns, ihn nach außen zu kehren und ihn mit Kraft zu beseelen.“ (Dewey 2002, S. 225).

Dies sind nicht Worte eines Wissenschaftlers, sondern eines Predigers. Deweys Erziehungs- und Sozialphilosophie ist als säkulare Theologie deutbar (Retter, 2009).

Nach protestantischem Verständnis wird gelebtes Christentum allein durch den Glauben konstituert, das machten auch die Studien von William James klar. Dewey überführte den Glauben an den Erlösergott in den Glauben an die säkulare Demokratie. Deutet man religionssoziologisch den Glauben an die Wahrheit der christlichen Religion als gesellschaftlich durchaus relevante Fiktion, dann gilt dies auch für Deweys Glauben an die Demokratie, dessen fiktionaler Charakter im Transformationsprozess von puritanischer Frömmigkeit zum innerweltlichen Humanismus voll erhalten blieb. Der Gottesbegriff besitzt, pragmatisch betrachtet, wie Deweys Demokratiebegriff eine Als Ob-Funktion: Wenn Gott sich nur dem offenbart, der an ihn glaubt, und die Demokratie als Great Community, deren Bedingungen wir erst herstellen müssen, sich ebenfalls nur dem offenbart, der an sie glaubt, so können wir durch den Glauben – der so gesehen besser ist als der Nichtglaube – so tun, als ob die wahre Demokratie im Ansatz schon vorhanden sei. Diese Vorwegnahme ist Fiktion, die für Dewey nicht Illusion, sondern vorwärts treibende spirituelle, kreative Kraft war.

Der hohe fiktionale Anteil in Deweys Erfahrungsbegriff verwehrt die Möglichkeit, die komplexen, widersprüchlichen Bedingungen sozialer Realität voll zu erfassen. Im Glauben an „inquiry“, „intelligent action“, „growth“ (Retter, 2012) und an weitere Instrumente im Arsenal der meliorativen Sicht Deweys, lebte sein Demokratie-Ideal bei begeisterten Anhängern weiter. Deweys Glaube an den sozialen Fortschritt versperren ihnen den Blick für den tatsächlich vollzogenen Rückschritt: der hundertjährigen Wirkungsgeschichte von „Democracy and Education“: den sozialen Abstieg ganzer Volksteile, die strukturellen Zerstörungen im System rechtsstaatlicher Ordnung, Hass und Angst in der amerikanische Gesellschaft, wie dies George Packer (2014) und andere kritische Zeitgenossen deutlich machten: Die Angst im Alltag des freiesten Staates der Welt ist heute so groß geworden, dass es spielende Kinder auf der Straße ohne Bewachung kaum noch gibt (Batthyany, 2016).

Man kann meiner These mit dem Hinweis widersprechen, dass Dewey keineswegs der Fiktionalität ein Denkmal setzte, wenn er rationale Methoden, Wissenschaft und Forschung zum Agens der Gesellschaft erklärte, wie er dies in seinem Konzept des „inquiry“ – Kernbegriff seiner Logik, und seines pragmatischen Instrumentalismus (LW 15, S. 24) – zum Ausdruck brachte. Prüft man daraufhin das Deweysche Konzept des „inquiry“ hinsichtlich seiner Wirkung, dann wurde es in manchen Philosophenkreisen erwähnt, es hat aber in keiner Weise die Routinen normaler sozialwissenschaftlicher Forschung beeinflusst. Es findet sich – aus gutem Grund – nicht in den Lehrbüchern empirischer Methodenlehre, da es quantitative Forschungsmethoden (wie die Trennung von abhängigen und unabhängigen Variablen, statistische Verfahren, Tests, die Dewey nicht mochte) überhaupt nicht im Blick hatte.

Vielmehr verstand Dewey unter „inquiry“ eine prakische Aufgabe, wie sie jedem Schullehrer geläufig ist, der das Nichtwissen der Schüler in Wissen und Können überzuführen hat und die Aufgabe durch ein schrittweises Vorgehen löst. Eine problemhaltige Ausgangssituation, deren Bewältigung noch unklar ist, ist überzuführen in eine Situation, in der größere Klarheit herrscht: Die konstitutiven Bedingungen der Situation sollen durch Aneignung von Wissen und Methoden kontrollierbar werden. Gegen Dewey ist einzuwenden: Diese Aufgabe hat mit hypothesenprüfender Forschung nichts zu tun. Sie ist ein Lernprozess im Fortschreiten kontrollierter Selbstkorrektur, den die im organischen Wachstum (growth) befindliche Gesellschaft in Deweys visionärer Sicht vollzieht. Der Prozess, „inquiry“, soll nach Dewey zu einer größeren Sicherheit führen, indem durch die gerechtfertigte Behauptbarkeit (warranted assertibility) einer Aussage die Irrtumswahrscheinlichkeit des Endurteils im Vergleich zum Anfangsurteil durch neue Einsichten Reduzierung erfährt. Deweys „inquiry“ erinnert zum einen an das Konzept der „Aktionsforschung“ der Emanzipationspädagogik der 68-er, in der Probanden nicht mehr Forschungsobjekte, sondern handelnde Subjekte sein wollten, zum anderen an die Stufen-Didaktik Herbarts und der Herbartianer.

Dabei verkannte Dewey, dass „harte“, Effekte prüfende Forschung von vornherein mit zwei Fehlern zu rechnen hat: Mit dem gewonnenen Ergebnis wird eine durch experimentelle Forschung überprüfte Hypothese als „wahr“ behauptet, die tatsächlich falsch ist. Umgekehrt ist möglich, dass die Ausgangshypothese durch das Forschungsergebnis anscheinend nicht bestätigt wird, so dass sie für unzutreffend gehhalten wird, obwohl sie richtig ist. Indem der eine Fehler vermieden wird, muss logischerweise der andere in Kauf genommen werden. Der Forscher hat sich zu Beginn des Forschungsprozesses (nicht am Ende!) zu entscheiden, welchen Fehler er eher in Kauf zu nehmen bereit ist. Wenn diese methodische Grundvoraussetzung nicht beachtet wird, wird falschen Gewissheiten Vorschub geleistet. Dazu neigte Dewey, obwohl er mit seinem wichtigsten Buch, „The Quest for Certainty“ (LW 4), gerade dies vermeiden wollte.

Empirische Studien belegen, dass die Religiosität in einer Gesellschaft in hohem Maße zusammenhängt mit dem Grad empfundener sozialer Sicherheit und Anerkennung. Dort, wo sie nicht vorhanden ist, es den Menschen also nicht gut geht, ist die Bindung an die Religion größer als in Staaten, in denen es den Menschen gut geht, schrieb Rüdiger Vaas im „Politischen Magazin für Konfessionslose und AtheistInnen“ (MIZ). Dem Autor geht es offenbar gut. Er interpretiert in grober Betrachtung richtig, lässt aber einige wichtige Aspekte der Interpretation außer Acht, die seine Deutung relativieren. In der Tat ist der Grad der Verweltlichung in westlichen Demokratien sehr viel größer als in voraufgeklärten Gesellschaften. Die Bindung an die tradierten Kirchen ist in unseren Breiten eher ein Mittelklasse- als ein Underdogphämomen. Der immer noch beträchtliche Wert der Religion für viele Menschen in Europa, den neuere Studien aufzeigen (Pollack et al., 2015), macht Transformationsprozesse und Deckeneffekte (ceiling effects) deutlich. Die Befunde sprechen dafür, dass religiöse Bedürfnissse in der modernen westlichen Demokratie neue Kontexte finden, nicht aber völlig verschwinden.

Wenn andererseits Dewey die Antwort auf die Frage schuldig blieb, wie religiöse Erfahrung ohne Rückbindung an eine Institution, genannt Religion, gewonnen werden soll (Joas, 2000), dann stellt sich die Frage: Welchen Stellenwert besaß die Toleranz im Denken Deweys? Ein Exkurs zu Begriff und Geschichte der Toleranz soll dazu Kontexte bereitstellen.

Intoleranz, Erlaubnistoleranz, Willkommenskultur – historische Aspekte

Von Rainer Forst (2003) stammt das Standardwerk zur Geschichte wie zur aktuellen Theorie der Toleranz. Dem Wort nach bedeutet Toleranz Duldung, aber auch freiwillig sich selbst auferlegte Erduldung eines Übels um eines höheren Wertes willen. Toleranz setzt Ungleichheit der Verhältnisse voraus. Dem sozial oder politisch Schwächeren wird in einer religiös-ethnischen, sozialen oder politischen Gefälle-Situation vom Stärkeren Toleranz gewährt. Dabei spielen zweckdienliche Gründe eine nicht geringe Rolle– wie die Stärkung des Friedens und die Stabilisierung der Macht, sowie ökonomische Vorteile für beide Seiten. Von Toleranz ist nicht zu sprechen, wenn es zwischen unterschiedlichen Auffassungen zu Annäherung und Übereinstimmung kommt, zweitens wenn sie als Schwäche interpretiert und abgelehnt wird, drittens, wenn Gleichgültigkeit vorliegt.

Toleranz zu üben innerhalb wie zwischen den Religionen stellt für den Monotheismus eine besondere Herausforderung dar, wie seine Geschichte ausweist. Wird doch von Christentum, Judentum und Islam mit ihrem absoluten Wahrheitsanspruch und ihrem Sündenbegriff die Überzeugung zum religiösen Grundgesetz, dass (nur) ein Gott sei, nämlich der des eigenen Glaubensbekenntnisses. Von ihm abzufallen ist eine Missachtung des Ersten Gebotes, somit todeswürdige Sünde.

Die Intoleranz der Religionsführer gegenüber Glaubensspaltung und Häresie innerhalb der jeweiligen Religion bestimmte einen wesentlichen Teil der Problemgeschichte der Toleranz, die nicht nur im jeweiligen System politischer und religiöser Herrschaft, sondern zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften und Gruppen differierender Glaubenszugehörigkeit besteht – oder eben nicht besteht. In der Geschichte des Christentums bis zur Aufklärung ist Toleranz immer nur theologisch-dogmatisch, nicht aber humanitär, begründet worden, so dass Nichtchristen zumindest theoretisch Toleranz zugebilligt wurde, Häretikern jedoch nicht (Scheliha, 2007, S. 110ff. ).

Das Dogma des Kirchenvaters Tertullian, dass außerhalb der (katholischen) Kirche kein Heil zu finden sei, ist bis heute gültig. Im Ablauf von zwei Jahrtausenden wurde das Christentum zu einem Schauplatz, auf dem Verurteilungen von nichtkirchenkonformen Glaubensbewegungen normal waren. Weltliche und kirchliche Herrschaft arbeiteten bei der Verfolgung und Tötung von Menschen zusammen, die um ihres Glaubens willen verfolgt wurden. Versucht man die Geschichte des Christentums niederzuschreiben in zwei Büchern, einem Buch der Toleranz und einem der Intoleranz, dann würde das Toleranzbuch hauchdünn ausfallen und das Buch christlicher Intoleranz sehr dick sein.

Der erste große literarische Versuch, zwischen den Religionen Frieden zu schließen (allerdings ohne den Absolutheitsanspruch der katholischen Kirche in Glaubensfragen zu mindern), stammt von Cusanus, dem humanistischen Philosophen und Kardinal aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. (Nikolaus von Kues, 1943). Cusanus wurde zu seiner Schrift „De pace fidei“ veranlasst durch den Fall von Konstantinopel 1453, der den Sieg der Osmanen über das byzantinische Reich bedeutete. Er sorgte sich um den Universalanspruch und die weitere Existenz seiner Kirche. Mit Recht, wenn man weiß, dass 100 Jahre später die reformatorischen Bewegungen in Europa eine neue Situation schufen, die alle früheren Befürchtungen der Kirchenfürsten weit übertrafen. Die neuen reformatorischen Bewegungen waren kaum toleranter als die römisch-katholische Kirche, von der sie sich dank eines erstarkten Territorialfürstentums lösen konnten. Dass demgegenüber im Osmanischen Reich mit dem Millet-System eine politische Ordnung mit – wenn auch eingeschränkter – religiöser Toleranz herrschte, in der die unterworfenen Christen den Statuts von „Schutzbefohlenen“ besaßen und ihnen – bei verminderten Rechten und erhöhten Steuerlasten – die Ausübung religiöser Praxis in ihrer Kirche erlaubt war, sollte in Erinnerung gerufen werden, wenn heute der Islam als „intolerant“ bezeichnet, dem christlichen Westen jedoch Toleranz zugesprochen wird.

Martin Luther wurde von Papst Leo X. 1521 mit dem Kirchenbann belegt. Er war in Lebensgefahr, nachdem er vor 500 Jahren den Ablasshandel kritisiert und auf dem Reichstag zu Worms bekannte, seine Lehre nicht zu widerrufen. Der Reformator zu Wittenberg war mutig, doch keineswegs tolerant. So gab es keine Einigung in der Abendmahlsfrage mit Zwingli im Marburger Religionsgespräch. Die zur radikalen Bewegung der Täufer gehörenden Christen, die gemäß Reichsrecht zu exekutieren waren, wurden auch auf protestantischem Boden verfolgt. Die Reformatoren des 16. Jahrhunderts forderten vom Papst Gewissensfreiheit. Martin Luther erklärte, dass niemand zum Glauben gezwungen werden dürfe, doch wenn es um Glaubensgruppen ging, die in entscheidenden Punkten abwichen von der reformatorischen Lehre, bekämpfte er sie und sah sie als vom Teufel verführt. Auch Hexenverbrennungen waren auf protestantischem Boden nichts Außergewöhnliches. Ganz zu schweigen von der Intoleranz der katholischen Gegenreformation. Erst die kirchenkritische Aufklärung mit der Botschaft, dass dem Menschen ein Recht auf sich selbst zustehe, das zu achten die Toleranz gebiete, führte allmählich zu einem veränderten Problembewusstsein.

In Luthers bekanntem Text , „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, ließen sich in rückwärtiger Betrachtung vermutlich auch Pluralitätsannahmen hineinlesen. Doch es wäre zuviel der Ehre, Luther für alles verantwortlich zu machen, was der Protestantismus als Ausweis seiner modernen freiheitlichen Gesinnung sich selbst später zugute hielt. Das verhindern heute auch Schuldeingeständnis und Betroffenheit, die in evangelischen Kirchen im Wissen um den überbordenden Antijudaismus des späten Luther zum Ausdruck kommen (Dietrich et al., 1999).

Im Gegensatz dazu fehlt in Deweys Sozialphilosophie ein Gespür für historische Schuld, für die moralische Pflicht ihrer Abtragung durch eine Kultur der Anerkennung und der Bitte um Vergebung; diese Aspekte der christlichen Botschaft sind dem „commom faith“ fern.

Der englische Philosoph John Locke bekräftigte 1689 den Grundsatz der Freiheit des Gewissens und der Religionsausübung. Lockes Text über die Toleranz veröffentlichte er anonym zuerst im niederländischen Exil. Die Vorsicht war verständlich, der Intoleranz der englischen Staatskirche wollte er nicht zu Opfer fallen. Deren Feinde, Atheisten und Katholiken, schloss Locke mit historisch interessanten Begründungen von Toleranz aus. Locke verortete die Religion als einen vom Staat geschützten, aber außerhalb seiner Gewalt stehenden zivilen Bereich. Bürgerliche Grundrechte und religiöse Freiheit sollte vor konfessionellem Terror und vor staatlichen wie kirchlich-inquisitorischen Zugriffen sicher sein. Die katholische Kirche zeigte erst mit der „Erklärung über die Religionsfreiheit“ des II. Vatikanischen Konzils 1965 Bereitschaft, die bürgerliche Toleranz nicht mehr als ein in Kauf genommenes Übel anzusehen, das den kirchlichen Wahrheitsanspruch relativiert, sondern das Recht auf Religionsfreiheit voll de jure anzuerkennen (Böckenförde, 1977, S. 402.).

Das Problem der Toleranz in der Moderne

Vorbereitet durch den Renaissance-Humanismus entwickelte sich erst im Zeitalter der Aufklärung der moderne Toleranzbegriff (Strenger, 2015, S. 31ff.; Retter, 2011b; kritisch: Pečar & Tricoire, 2015). Von der „Erlaubnistoleranz“ (R. Forst) hin zur Forderung nach einem „robusten“ Pluralismus, der über die bloße Tolerierung von ethnischer und religiöser Pluralität hinaus geht, ist es erst in jüngster Zeit gekommen (Medefind, 2014). In Deutschland spricht man von einer Willkommens- und Anerkennungskultur, die angesichts der sich nach Europa bewegenden Flüchtlingsströme den neuen Migranten gilt.

Innerhalb einer liberalen, demokratischen Gesellschaft hat der Begriff Toleranz vor allem zu tun mit dem Aufbringen von wohlwollendem Verständnis für die Überzeugung oder das Handeln kuluturell anders geprägter Menschen und Menschengruppen. Ethnische Andersartigkeit, die sich in unserem Lebensraum ausbreitet, betrachten wir als Überfremdung, empfinden Abneigung, sehen die eigene Identität in Gefahr. Toleranz nötigt uns zur Selbstüberwindung, dieser Andersartigkeit Lebens- und Freiheitsraum zuzugestehen. Ich dulde als Angehöriger der Toleranz gewährenden Mehrheit etwas, von dem ich weiß, dass es für die damit verbundene Lebenspraxis der auf Toleranz angewiesenen Minderheit ein wertvolles Gut darstellt, obwohl dieser Wert nicht Teil meiner religiösen oder lebenspraktischen Überzeugung ist. Allerdings hat Toleranz Grenzen. Eine „Scharia-Polizei“ wird der demokratische Rechtsstaat nicht tolerieren. Eine repräsentative Befragung der Bevölkerung westdeutscher Länder belegt, dass die Zunahme von religiösen Gruppen und von kultureller Vielfalt für sich genommen nicht verurteilt wird, doch ebenso ein klares Bewusstsein für die Probleme und Konflikte vorhanden sind, die diese mit sich bringen (Pollack et al., 2015, S. 222).

Oft ist es so, dass die öffentlich bekundete Toleranz in privater lockerer Runde dem Witz Platz macht – Ironie, die unser Vorurteil pflegt und die heimlich weiter schwelende Intoleranz zur Flamme entfacht. Witze über das Verhältnis der Deutschen zu ihren Nachbarländern haben hierzulande Tradition. Chef-Entertainer Harald Schmidt kam in seinen besten Jahren mit seiner TV-Show zu vorgerückter Stunde immer gut an: „Für 70 Prozent der Deutschen ist gute Nachbarschaft das wichtigste. Die anderen 30 Prozent wohnen an den Grenzen zu Holland und Polen.“ Es mag sein, dass in jedem Witz auch ein Stück Selbstrelativierung mitschwingt, aber er beinhaltet auch das Eingeständnis: Bei zuviel Toleranz könnte die eigene Borniertheit Schaden nehmen. Martha Nussbaum, die amerikanische Philosophin, sieht die Angst, aus der heraus sich die neue Intoleranz entwickelte, langfristig überwindbar durch „den Geist der Neugier und der Freundschaft“ (Nussbaum, 2014, S. 197).

Im Begriff des Respektierens einer mich durch ihre Fremdartigkeit störenden Lebensweise von anderen Menschen sind zwei einander widerstreitende Momente miteinander vereint, und das macht die paradoxe Struktur des Toleranzbegriffs aus. Indem ich bestimmte, nicht wünschenswerte Sachverhalte zulasse, handle ich gegen mein egoistisches Gefühl oder meine moralische Pflicht, etwas, dass ich für ungut halte, zu bekämpfen. Dies geschieht deshalb, weil ich Ziele wahrnehme, die größeren Wert oder Nutzen besitzen. Wer nur äußerlich tolerant erscheinen will, findet es am besten, sich der offiziellen Meinung stumm zu beugen. Der Wunsch einer demokratischen Regierung ist allerdings, bei der Mehrzahl der Bürger nicht bloßen Gehorsam, sondern freundliche Zustimmung zu ihrer Politik zu finden –weil sie sich als Dienerin des Gemeinwohls versteht und nur bei Anerkennung ihrer Politik die nächsten Wahlen gut übersteht.

Toleranz ist geboten aus Gründen des Friedens und der Aufrechterhaltung ökonomischer Vorteile, zur Wahrung der Humanität und der Achtung vor der Freiheit anderer. Aber was ist zu tun, wenn in einem anderen Land, mit dem wir durch ein globales Netzwerk von Beziehungen verbunden sind, bestimmte Menschengruppen sich systematisch benachteiligt sehen und unser Protestruf „Nulltoleranz“ gegenüber der Regierungspolitik dieses Landes am Grundsatz der Nichteinmischung in die Angelegenheit anderer Staaten scheitert? Die pluralistische Gesellschaft bedarf neben der Erlaubnistoleranz und der Respekttoleranz letztlich einer völlig neuen Legitimation des Toleranzbegriffs, weil Toleranzkonflikte als normale Prozesse öffentlichen Aushandelns fairer Lebensbedingungen begriffen werden müssen, und zwar sowohl national wie international. Nur gut, dass im Pragmatismus das Erlernen einer toleranten Haltung durchaus optimistisch eingeschätzt wird.

Notwendige Intoleranz gegenüber inhumanen Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die uns das Gewissen gebietet, ist zu trennen von unzumutbarer Intoleranz der Mächtigen gegenüber Schwächeren, was uns innerlich mit Protest, wenn nicht mit aktivem Widerstand reagieren lässt. Im historischen Kontext ändern sich allerdings auch unsere Balancen für das, was wir für „angemessen“ halten. Die englische Kolonialmacht in Indien verbot erst nach langem Zögern ab 1829 die Selbstverbrennung der Hinduwitwen auf dem Scheiterhaufen ihrer verstorbenen Ehemänner (Walzer, 1998). Das Argument lautete: Es sei erklärte Absicht der Ostindienkompanie gewesen, die Glaubenspraktiken der Hindus und Moslems zu respektieren. In Gerichtsprozessen in Frankreich ging es um die gesetzlich verbotene und öffentlich besonders vehement verurteilte Genitalverstümmelung von Mädchen eingewanderter afrikanischer Familien. Sie endeten mit äußerst milden Urteilen, Bewährungsstrafen, die die angeklagten Mütter und Beschneiderinnen erhielten. Im komplexen Anpassungsprozess von Normen ethnischer Minderheiten an die Maßstäbe der Majorität sind in der pluralen Gesellschaft Verwerfungen nicht ausgeschlossen: So kann die öffentliche Verurteilung einer inhumanen Praxis im privaten Bereich durch die Medien mit stillschweigender Tolerierung dieser Praxis durch die Behörden einhergehen, auch wenn dies von uns als schmerzlich empfunden wird. Dazu gehört nicht zuletzt die Zwangsverheiratung minderjähriger oder volljährigen Kinder durch ihre Eltern. Sie durch präventive Kontrolle zu unterbinden ist angesichts des Schutzes der Privatsphäre kaum durchführbar. Doch das Widerstandspotential Betroffener wächst, und die Berichterstattung der Medien zeigt langfristig Wirkung.

Vergleicht man das Zusammenleben sprachlich und/oder religiös differenter Volksgruppen innerhalb von Staaten und Regionen, dann bieten die Schweiz, Nordirland, Südafrika, Palästina/Israel, Afghanistan, Syrien unterschiedlich stark mit Konflikten belastete Beispiele. Dort, wo die Beziehung zwischen verschiedenen Ethnien eine Geschichte wechselseitiger Leidzufügung darstellt, die Krieg zum Dauerzustand macht, wurde der Toleranzgedanke zunächst nur als Schwächung der eigenen Position wahrgenommen. Religiös begründeter Terror, der in einigen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas Massenmord und Ausbeutung zum Ziel hat, ist nicht mehr unter dem Aspekt Toleranz erfassbar. Hier ist seit dem September 2001 ein neue Qualität von Hass und Vernichtung aufgebrochen. Abgrundtiefer Dissens dürfte kurzfristig kaum zu überspringen sein und bedarf des politischen Managements von dritter Seite. Daran gemessen erscheinen Probleme in unserer Gesellschaft, bei denen Toleranzbefürworter und -gegner aufeinander prallen – wie bei der Frage der Grenzen der Aufnahmekapazität für Flüchtlinge – in einem etwas milderen Licht.

Entwicklung von Demokratie und Liberalität in Amerika – Dewey und die Rassenfrage

Die politische Lösung des Religionskonfliktes im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation durch den Augsburger Religionsfrieden 1555 war kein Zeichen von Toleranz und Gewissensfreiheit. Der jeweilige Landesherr bestimmte das vorherrschende (katholische oder protestantische) Glaubensbekenntnis. Andersgläubige Nichtkonvertiten hatten das Territorium zu verlassen. Hugenotten in Frankreich, Dissenters in England und weitere aus Glaubensgründen verfolgte Gruppen in Europa flohen in den Glaubenskriegen des 17. Jahrhunderts aus ihrer Heimat, wurden von protestantischen Ländern innerhalb Europas aufgenommen, oder sie fanden in Nordamerika eine neue Bleibe. Einer strengen Kirchenzucht unterstellt, lebten die Siedler der amerikanischen Ostküste sehr viel eher als theokratische, denn als demokratisch-liberale Gemeinschaften. Im Zeichen der konfliktreichen Ablösung der Kolonien der Neuen Welt von der englischen Krone wurden königstreue weiße Siedler nach der Unabhängigkeitserklärung von 1776 Republikaner (falls nicht, hatten sie mit bitteren Konsequenzen zu rechnen). Nach der Französischen Revolution bildete sich eine als republikanisch-demokratisch empfundene nationale Identität aus. Vom 17. bis 19. Jahrhundert war das von Weißen beherrschte öffentliche Leben, das Wirtschaftssystem und die Presse als “liberal“ zu bezeichnen. Die in der Constitution 1789/91 garantierten Bürgerrechte wurden den Natives (Indianern) erst 1924 zuerkannt; Negroes, Latinos, colored people – im weitesten Sinne Afroamerikaner – waren in den USA als zweitklassige Menschen dem kolonialen Blick des Weißen auch im 20. Jahrhundert ausgesetzt, zumindest bis zur Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre – und heute?

Liberal und tolerant über die amerikanische Demokratie zu denken, aber die soziale Zweitklassigkeit von Afroamerikanern unberührt lassen, war im Zeitalter des Progressivismus vor 120 Jahren gängige Praxis bei weißen Intellektuellen. Im historischen Rückblick auf die USA wäre es purer Euphemismus, die im Süden vorherrschende Lynchjustiz, die Rassentrennung in Schulen und öffentlichen Einrichtungen (die keineswegs nur in den US-Südstaaten praktiziert wurde) sowie willkürliche Gewaltausübung gegenüber Nichtweißen, ihre alltägliche Demütigung und ihre rechtliche Benachteiligung nur als Intoleranz zu bezeichnen. Hier ging es um die schlimmsten Formen der Missachtung von Menschenrechten, die in der weißen Mittelklasse seit langem billigend in Kauf genommen wurde, mit seltenen Ausnahmen. Zu den Ausnahmefällen gehörten die weißen Bürgerrechtlerinnen Jane Addams (die von Dewey geschätzte Gründerin von Hull House in Chicago) und Mary W. Ovington, die 1911 ein Buch mit dem Titel „Half a Man“ über das Elend der Afroamerikaner in New York veröffentlichte. Zu jenen Persönlichkeiten von Rang, die öffentlich das Unrecht beim Namen nannten, zählte auch Franz Boas, Deweys aus Deutschland emigrierter jüdischer Kollege an der Columbia-Universität. In seinem Vorwort zum Buch von Ovington verglich er die Situation der Afroamerikaner als gesellschaftlich Geächtete mit der Situation der Juden in früheren Zeiten.

Für auswärtige Besucher der USA nach 1900 wie Max Weber 1904 oder George H. Wells 1906 wurde die „Tragödie der schwarzen Rasse“ (H.G. Wells; in Retter, 2017) sofort sichtbar. Auch Dewey wandte sich im Prinzip gegen Rassismus, doch er blieb in seiner Rhetorik sehr vage. Erst in seinem letzten Lebensabschnitt veränderte sich dies etwas.

„Demokratie“ besaß bei Dewey einen spirituellen Gehalt, der über ein politisches Begriffsverständnis weit hinausging. An dieser Stelle ist an das eingangs (im englischen Originaltext zitierte) Wort Deweys zu erinnern, die Demokratie sei „mehr als eine Regierungsform“, sie sei vielmehr „eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung“ (Dewey, 1949, S. 124).i Das Dilemma dieses Demokratiebegriffs besteht darin, dass die Hochschätzung der Demokratie als Lebensform bei Dewey zugleich die Verachtung der Demokratie als Regierungsform und die Vernachlässigung der Demokratie als Gesellschaftsform mit sich brachte. Nicht die „Ewigkeit“ allseitiger Kommunikation, die die Gefahr birgt, zur Herrschaft zu entarten, sondern die Möglichkeit, ihr dadurch zu entkommen, dass die für das politische Gesamtsystem Verantwortlichen bei den nächsten Wahlen abwählbar sind, ist das Herz des demokratischen Rechtsstaates. Aber das demokratische Wahlrecht wahrzunehmen wurde Afroamerikanern weitgehend verwehrt oder erschwert, etwa durch poll taxes und weitere Hürden. Das war für Dewey kein Anlass einzuschreiten. Deweys Ziel allseitiger Kommunikation war historisch in den jüdisch-christlichen Urgemeinden im Glauben an den Anbruch des Königreichs Gottes vorhanden. Heute ist Deweys Vision sozialer Teilhabe realisiert im Internet durch Chats, soziale Dienste, Blogg- und Twitterkultur. Das Netz hat in der Tat ganz neue Möglichkeiten der Informationsgewinnung und Interaktion eröffnet. Aber es zeigt ebenso die Ambivalenzen seiner Herrschaft in manipulativen Untiefen, sozialem Mobbing, Fakes – ein Tummelplatz kaum bekämpfbarer, global operierender Kriminalität. Das Netz ist „tolerant“ und ein Gewinn für die Demokratie – wie es den Grundproblemen der modernen Demokratie ein weiteres hinzufügt.

Dewey widmete dem Thema Toleranz keine eigene Abhandlung. Obwohl er das Konzept Toleranz nicht theoretisch entfaltete, spielt der Begriff in Deweys Gesamtwerk im Zusammenhang von Ethik und Demokratieverständnis eine wichtige Rolle. Toleranz war für Dewey unabdingbarer Bestandteil moralischen wie sozialen Denkens. Das wird besonders deutlich in dem mit James Tufts verfassten Lehrbuch zur Ethik (besonders in der zweiten Auflage von 1932; LW 7). Das Thema spielte auch in einer Reihe von Essays zum Thema Demokratie eine Rolle, und hier nicht zuletzt in der Verteidigung einer freien Gesellschaft gegenüber den in Europa herrschenden Diktaturen. Im Folgenden einige Originalzitate:

“The case of intolerance is used as an illustration of the intrinsic connection between the prospects of democracy and belief in the potentialities of human nature – not for its own sake, important as it is on its own account. How much of our past tolerance was positive and how much of it a toleration equivalent to ‘standing’ something we do not like, ‘putting up’ with something because it involves too much trouble to try to change it? For a good deal of the present reaction against democracy is probably simply the disclosure of a weakness that was there before; one that was covered up or did not appear in its true light. Certainly racial prejudice against Negroes, Catholics, and Jews is no new thing in our life. Its presence among us is an intrinsic weakness and a handle for the accusation that we do not act differently from Nazi Germany” (LW 13, S. 152).

“The heart of reflective morality is reflection, and reflection is sure to result in criticism of some matters generally accepted and in proposals for variation of what is currently regarded as right. Toleration is thus not just an attitude of good-humored indifference. It is positive willingness to permit reflection and inquiry to go on in the faith that the truly right will be rendered more secure through questioning and discussion, while things which have endured merely from custom will be amended or done away with. Toleration of difference in moral judgment is a duty which those most insistent upon duty find it hardest to learn. As soon as one enemy of inquiry and public discussion is overcome, new enemies with new plausible reasons for exercising censorship and suppression of thought arise. And yet without freedom of thought and expression of ideas, moral progress can occur only accidentally and by stealth” (Dewey, LW 7, S. 231).

“The obviously undeniable thing to be said about religion in a free society is that the right of conscience and belief applies with peculiar force in freedom of worship, and that it is secure only where toleration extends beyond merely enduring something that must be borne lest worse things follow. Genuine toleration does not mean merely putting up with what we dislike, nor does it mean indifference and a conviction that difference of faiths is of no importance because none of them matters. It includes active sympathy with the struggles and trials of those of other faiths than ours and a desire to cooperate with them in the give-and-take process of search for more light. But we can go further than the right of worship and the duty of tolerance” (Dewey, LW 15, S. 183).

“So I close by saying that the third loyalty which measures democracy is the will to transform passive toleration into active cooperation. […] Fraternity is the will to work together; it is the essence of cooperation. As I have said, it has never been widely practiced, and this failure is a large factor in producing the present state of the world. We may hope that it, not the equality produced by totalitarian suppression, will constitute the ‘wave of the future’“ (LW 14, S. 277)

Die Great Community, die diese Zukunftswelle hervorbringen sollte, sah Dewey als eine Gesellschaft „in which the ever-expanding and intricately ramifying consequences of associated activities shall be known in the full sense of that word, so that an organized, articulate Public comes into being. The highest and most difficult kind of inquiry and a subtle, delicate, vivid and responsive art of communication must take possession of the physical machinery of transmission and circulation and breathe life into it. […] Democracy will come into its own, for democracy is a name for a life of free and enriching communion (LW 2, S. 325).

Allseitige Verbundenheit und Kommunikation aller Bürger im öffentlichen Raum ist das Ziel. Ob Kommunikationsverweigerer, Indiviudalisten und diejenigen, die Deweys Ansichten widersprechen, in der Great Community genauso willkommen sind, wird in dem von mildem Sozialismus durchwaltetem Ideal Deweys nicht deutlich. War Deweys Gemeinschaft offen für alle Nichweißen? Sollten “Neger” gleichberechtigt kommunizieren dürfen, gleichberechtigt die ersten Plätze in öffentlichen und privaten Einrichtungen besetzen dürfen? Die Realität, um die Dewey seit Kindesbeinen wusste, war eine völlig andere, als dass seine Visionen eine Realisierungschance besaßen. Obwohl Afroamerikaner zunächst Hoffnung auf Dewey setzten, wäre seine Botschaft langfristig nur glaubwürdig gewesen, hätte Dewey ihnen öffentlich ein herzliches Willkommen zugerufen. Doch das vermied er. Auffällig ist, dass in Deweys Demokratieverständnis eine Theorie demokratischer Institutionen und Entscheidungsprozesse keinen Platz besaß. Das Herzstück des modernen liberalen Demokratiebegriffs zu entfalten, der nicht nur Vielfalt, sondern ebenso Konkurrenzstreben als Positivum anzuerkennen hat, blieb Dewey somit schuldig.

Die Wirkung der rhetorischen Strategie Deweys, etwas allgmein zu sagen, um darauf konkret nicht näher eingehen zu müssen, lässt sich mit dem Konzept der “sozialen Amnesie” beschreiben (Margonis, 2003). Ausgeblendet aus der öffentlichen Kommunikation werden diejenigen, über die man nicht spricht. Dewey instrumentalisierte seinen Begriff der Erfahrung, in dem er das, was er – etwa in seiner Ästhetik – als “Having an experience” (LW 10, S. 42ff.) besonders positiv wertete, im Hinblick auf die soziale Realität der USA aussparte, so dass man bei Dewey keine schwarz-weiße Erfahrung gewinnen kann. Deweys Rhetorik von allseitiger Kommunikation wurde zum Instrument einer Meidungsstrategie: Es ging darum, eine moralisch löbliche allgemeine Forderung zu stellen, die als Entlastung fungierte, um von den abscheulichen Details nicht sprechen zu müssen, die ihre Realisierung unmöglich machten. Damit aber bleiben alle Äußerungen über Toleranz nur hohles Gerede. Zur Meidungsstrategie Deweys gehörte es, racial prejudice – wie oben zitiert – lediglich als Bestandteil einer Reihe von Problemen zu nennen, die er er als antidemokratisch einstufte. Dass fehlende Chancen- und Rechtsgleichheit der Afroamerikaner nicht ein Bindestrich-Problem, sondern das eigentliche Grundproblem der amerikanischen Demokratie darstellte, vermied Dewey auszusprechen. Erwähnenswert sind die Führer der frühen afroamerikanischen Bürgerbewegung, wie W.E.B. Du Bois (der eigentliche Begründer der NAACP, der Dewey persönlich gut bekannt war), die Frauenrechtlerin Ida B. Wells (die in ihrem Kampf gegen das Lynchen von Jane Addams unterstützt wurde), der Journalist William Monroe Trotter aus Boston, der mit der Herausgabe einer Zeitung für Afroamerikaner radikal für Gleichberechtigung focht. Doch sie waren nicht wert, in Deweys Werk Erwähnung zu finden. Ebenso wenig ist der als Sklave geborenen Booker T. Washington (1856-1915) im Register der Dewey-Gesamtausgabe nachweisbar. Er war als Leiter des Tuskegee Institutes in Tuskegee, Alabama, bis zu seinem Tod der Führer aller Afroamerikaner in Bildungsfragen. Sein College im Süden der USA (heute Universität) vermittelte allgemeine Basisqualifikation und bildete „colored people“ in einer Vielzahl von Berufen aus. Booker Washington, über den die Presse immer wieder berichtete, war damals in Amerika bekannter als Dewey. Die führenden weißen Gesellschaftsschichten des Nordens und des Südens der USA, einschließlich reiche Stiftungen als Geldgeber des Institutes, begegneten dem „Mulatten“ – so der damalige Sprachgebrauch für die ethnische Zuordnung Washingtons – sehr wohlwollend. Mit seiner Autobiographie „Up from Slavery“ 1899 (deutsch 1902) wurde er weltbekannt. Immerhin hatte ein US-Präsident (G. Cleveland) mit einer Ministerriege offiziell das Tuskegee-Institut 1897 besucht; ein anderer US-Präsident (Th. Roosevelt) lud ihn ins Weiße Haus zum Dinner, als ersten „Negro“ überhaupt. Das war 1901, in der Blütezeit der Laboratory School. Doch derartige Ehrungen zu erhalten, davon war Dewey mit seiner Schule in Chicago weit entfernt . Booker Washington hatte in seiner berühmten „Atlanta-Rede“ 1895 so etwas wie ein Versprechen abgegeben, das „Neger-Problem“ – die deutsche Bezeichnung damals – zu lösen durch Verzicht auf die Forderung nach sofortiger Gleichberechtigung und höherer Bildung für das afroamerikanische Volk – dafür sei es noch zu früh. Doch bei Gewährung von Rechtssicherheit für Afroamerikaner und Sicherung ihrer Existenz durch eine berufliche Ausbildung nach dem Vorbild von Tuskegee könne das Problem gelöst werden. Denn in der Landwirtschaft, in der Industrie, im Handwerk und im Bereich der Dienstleistungen bestehe für qualifizierte Arbeitskräfte großer Bedarf.

Die frühe radikale Bürgerrechtsbewegung bekämpfte die Anpassungsbereitschaft Washingtons, der durch die NAACP seinen Einfluss bedroht sah. Die afroamerikanische Parallelgesellschaft, die weithin in isolierten Lokalkulturen ohne übergreifende soziale Führungsnetze existierte und einen hohen Prozentsatz von Analphabeten besaß, war über Jahrzehnte in der Frage ihrer Bildung gespalten. Kein Wort darüber von Dewey. Erstt nach Washingtons Tod gewann der radikale Flügel in der afroamerikanischen Gesellschaft unter der Leitung von W.E.B. Du Bois eine führende Rolle. Der 1917 vom US-Office of Education herausgegebene Forschungsbericht des Soziologen Thomas Jesse Jones mit dem Titel „Negro Education“ belegte mit Zahlenmaterial die immense Benachteiligung der Afroamerikaner in den öffentlichen Bildungsbudgets und empfahl, sie in einfachen handwerklichen Berufen auszubilden. Du Bois protestierte scharf und forderte höhere Bildung auch für Afroamerikaner. Dewey verlor keinen Satz darüber in seinen zahllosen Texten und Rezensionen, andere weiße Hochschullehrer wie der Ökonom John R. Commons (1907) beschäftigte die Frage der Bildung der Nichtweißen durchaus.

Indizien für den Antirassismus Deweys wurden von Deweyanern sorgsam gesammelt und immer wieder aufgezählt. Bei genauerem Hinsehen verlieren sie etwas an Überzeugungskraft (im Detail: Fallace, 2011, Johnson, 2012; Retter, 2017). Dewey war 1909 Mitbegründer der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP); sein kurzes Statement, bestand aus der Forderung, dass die Gesellschaft jedem die Chance geben müsse, sich gemäß seiner Befähigung zu entwickeln, schließlich gäbe es, wissenschaftlich gesehen, keine Rassenungleichheit. Schwarze Redner schilderten die Not der Lebensverhältnisse der unterdrückten Rasse. Anders als Jane Addams schrieb Dewey keinen Artikel im Organ der NAACP, um rassisches Unrecht beim Namen zu nennen. Im Riesenwerk Deweys existiert ein einziger zu seinen Lebzeiten veröffentlichter Aufsatz mit dem Titel “Racial Prejudce and Friction”. Hierbei handelt es sich um eine 1922 publizierte Rede (MW 13, S. 242-255), die Dewey in China hielt; zur Sprache kamen die politischen Spannungen zwischen den Völkern des Fernen Ostens untereinander sowie gegenüber Europa. Er hielt 1932 vor der NAACP-Jahresversammlung eine Ansprache (deren erhaltenes Skript er nicht veröffentlichte), um vor der anstehenden Präsidentenwahl Stimmen zu werben für jenen Kandidaten, den Deweys League for Independent Political Action (LIPA) unterstützte – ohne Erfolg. Die LIPA war eine kleine mit inneren Konflikten belastete politische Gruppe, in der neben Dewey als Chairman auch Du Bois mitwirkte; sie existierte nur kurze Zeit.

Dewey und die Schulsegregation

Deweys Schule an der Universität Chicago, die er 1896 gegründet hatte, besuchten in den sieben Jahren ihres Bestehens Kinder aus begüterten weißen Elternhäusern. Sie lernten viel über die Besiedlung Amerikas und das Leben der Farmer Virginias; aber über die Unmenschlichkeit der Sklavenherrschaft lernten sie, wenn man die Lehrerberichte nachliest, offenbar gar nichts. Dewey wurde durch seine Schule international als Vertreter progressiver Erziehung bekannt, auch mit seinem pädagogischen Credo von 1897, das mit dem Statement beginnt: Erziehung sei „soziale Teilhabe am Bewusstsein der Menschheit“. Der Grundbegriff seiner Sozialphilosophie ist shared experience, soziale Teilhabe, die mit anderen gemeinsam geteilte Erfahrung. Aber wo berichtete er in dem Riesenausstoß an Büchern und Aufsätzen wenigstens ein einziges Mal, dass soziale Teilhabe zwischen Schwarz und Weiß, erfolgreich durch seine Pädagogik geleistet wurde? Nirgendwo, lautet die Antwort, vermutlich weil das Rassenproblem nicht Thema progressiver Pädagogik war.

In dem mit seiner Tochter Evelyn gemeinsam geschriebenen, 1915 veröffentlichten Buch, „Schools of To-Morrow“ wird ein Loblied auf die öffentliche Schule 26 in Indianapolis verbreitet, die von Kindern schwarzer Eltern aus dem Armenviertel besucht, von schwarzen Lehrern unterrichtet, von einem schwarzen Schulleiter geleitet wurde. Die Schule war bekannt für ihr besonderes Profil vorberuflicher Ausbildung, welche schwarze Jungen an handwerkliche Berufe, schwarze Mädchen an Hauswirtschaft heranführte – und dies ganz im Dienst der community, in enger Kooperation mit den Kleinbetrieben der Nachbarschaft im Schwarzen-Getto der Innenstadt (MW 8, S. 339ff). Die Deweys erwähnten nicht, dass im Staat Indiana, zumal in Indianapolis, strenge rassische Schulsegregation herrschte und das Ausbildungskonzept der Schule Nr. 26 offensichtlich nach dem Vorbild B.T. Washingtons arbeitete. Das Bildungsziel dieser „Schule der Zukunft“ war gute Handarbeit. Hier wurde die Vorstellung verwirklicht, Schule als Embryo der künftigen Gesellschaft zu betrachten. „Negroes“ wurden zur Arbeit und zu Dienstleistungsberufen erzogen, dafür waren separate „schwarze“ Schulen gut geeignet. Dewey dachte nicht daran, mehr zu tun für die Bildung der Schwarzen als das, was die öffentliche Schule sowieso tat, und das genügte zur Aufrechterhaltung der Rassenschranke.

Den Vorwurf, Dewey vernachlässige anspruchsvolle theoretische Bildung in seinem pragmatisch-praktisch ausgerichten Denken, traf ihn massiv erst in der Ära der Great Depression – dann auch im Kontext der Projektpädagogik seines Schülers W.H. Kilpatrick. Doch im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hatte der Vorwurf seinen sachlichen Ursprung. Denn auch das Platoon-System der öffentlichen Schulen in der Stahlstadt Gary rechneten die Deweys zu den „Schulen für Morgen“. Eingerichtet wurde es von dem Superintendenten der Stadt Gary, William Wirt, der Dewey als Student gehört hatte und ihm geistig verbunden war. Die Schulen in Gary waren rassisch getrennt, sie wurden primär von Kindern der Familien besucht, deren Väter im Werk der US-Steel Corporation, dem dominanten örtlichen Arbeitgeber, ihren Lebensunterhalt verdienten. Das Gary-Curriculum, das einem „work-study-play-plan“ folgte, war pragmatisch im besten Wortsinn. Seine Erfolge lockten bald Besucher an und bewegten andere Kommunen zur Nachahmung. Es besaß eine starke vorberufliche Komponente, Durch Schichtbetrieb und ständigen Wechsel der Schülerschaften zu anderen Lehrkräften an anderen Bildungsorten wurde es möglich, große Schülerzahlen bei optimaler Mitnutzung aller öffentlichen Einrichtungen zu unterrichten. Die geringe Bildungshöhe der bildungswilligen Bevölkerung Garys erzeugte breite Zustimmung zur Schulorganisation. Wirts System wurde durch den reformfreudigen Bürgermeister Mitchel in New York eingeführt. Nicht zuletzt war das Ziel, den Bildungsfinanzhaushalt der Weltstadt von seinem Schuldenberg zu befreien. Der daraufhin ausbrechende New Yorker Schulkampf 1915 bis 1917 ist ein historisch eindrucksvolles Beispiel für die Macht von Eltern, wenn sie sich zum Protest zusammenfinden. Das war durchaus im Sinne Deweys – nur eben, dass sich der Protest gegen Deweys Reformideen richtete, für die er in New York eintrat. Vor allem afroamerikanische Eltern sowie Kreise jüdischer Emigranten waren nicht Willens, die für ihre Kinder ohnehin kaum erträgliche Bildungssituation in den öffentlichen Schulen New Yorks durch ein Konzept der Massenerziehung ersetzt zu sehen, dem jegliche Aspiration zu höherer Bildung fehlte, und dies den Plänen der Industrie entgegen kam. Die Deweyaner verloren den Schulkampf, der nicht ohne Gewaltausbrüche ablief, drastisch (Weiner 2010, S. 34 ff.).

Erziehung zur Toleranz – ethische Aspekte

Ende der dreißiger Jahre wurden in den USA Konzepte einer auf kulturelle Vielfalt abhebenden Erziehung in den Schulaufsichtsbezirken mancher Großstädte eingeführt (Burkholder, 2011), um in der öffentlichen Schule Verständigung zwischen differenten Ethnien und Rassen zu fördern – ein Gegenprogramm zum Rassismus Hitlerdeutschlands. Die neuen Curricula gingen auf den Einfluss der ethnischen Studien Boas’ und seines Schülerkreises zurück. Es wurde erstmals versucht, in den Schulen bewusst antirassistisch-multikulturell zu erziehen. Der Eintritt der USA in den Krieg am 7.12.1941 bewirkte, dass Afroamerikaner für die Front benötigt wurden. Selbstverständlich herrschte zu diesem Zeitpunkt Rassentrennung in den Streitkräften. In dieser politischen Krisenzeit, die für Milderung rassischer Vorurteile sorgte, gab Dewey selbstkritisch zu bedenken:

„We were aware that the question of the relation to one another of different races and religions was still a thorny one, since here too the past had left an evil heritage” (Dewey, LW 15, S. 171).

In der New York Times vom 15.5.1942 findet sich ein Leserbrief Deweys (LW 15, S. 356ff.), in dem er die Ablehnung der Revision des Todesurteils gegen den mittellosen Schwarzen Odell Waller durch den Supreme Court mit Trauer und der Bitte um nochmalige Überprüfung kommentierte. Der verurteilte junge Sharecropper hatte, nachdem ihm sein Ernteanteil vom weißen Pächter verweigert wurde, diesen im anschließenden Streit, der in eine Schießerei überging, getötet, offenbar in Notwehr. Ganze Kampagnen wurden ab 1940, als der Fall durch die Medien ging, mit Unerstützung bedeutender Persönlichkeiten geführt, um für den Verurteilten eine mildere Strafe als das gerichtlich verkündete Todesurteil zu erreichen. Doch alles war vergeblich, auch Deweys Brief. Dieser Leserbrief des alten Dewey von 1942 ist die einzige mir bekannte, in seinem Werk dokumentierte Äußerung, die den vorherrschenden Rassismus am konkreten Beispiel öffentlich scharf kritisiert. In seinen großen pädagogischen und politischen Schriften geschah dies so nicht.

Im Pragmatismus, auch im Instrumentalismus Deweys, bedeutet Toleranz sehr viel mehr, als nur dem Gebot einer humanen Gesinnungsethik zu folgen. Hier lässt sich Toleranz verstehen als eine allgemeine Anpassungs- und Lernbereitschaft, als eine besondere Aufmerksamkeit für Verschiedenheit und als Konsequenz unserer Erfahrung von Pluralität. Eine ausgedehnte Grundsatzdiskussion über Toleranz gibt es nicht im Pragmatismus, eher ein waches Bewusstsein für die Notwendigkeit, die Probleme des täglichen Miteinanderlebens in einem liberalen Gemeinwesen regeln zu müssen. Um mit Max Weber zu sprechen: An die Stelle einer gesinnungsethischen Haltung rückt sehr viel mehr die Verantwortungsethik, die die Folgen der im Gemeinwesen bestehenden Gesetze und Regulierungen bedenkt, aber auch vorhandene Intoleranz zu reduzieren sucht.

Moralisch vorbildlich ist aus pragmatischer Sicht das Handeln des Einzelnen dann, wenn es mit möglichst guten Wirkungen für möglichst viele Menschen verbunden ist. Diese konsequenzialistische Ethik setzt einen durchaus anderen Maßstab, als ihn Immanuel Kant in der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ entwickelte, wonach es darauf ankomme, der individuellen Pflicht zur Erfüllung eines allgemeinen moralischen Gesetzes zu genügen. Die Kritik Deweys lautete: Die sittlichen Tugenden pflegten Philosophen wie Kant so hoch zu hängen, dass sie unrealisierbare Ideale bleiben. Werte sollten erreichbar sein.

Bei Dewey hing jedoch das eigene Ideal allseitiger Verbundenheit in seiner Unerreichbarkeit kaum weniger hoch als bei denjenigen, denen er dies vorwarf. Wie glaubte Dewey Klassenschranken, Hierarchien, Vorurteile, Egoismen überwinden zu können, die er als Barrieren seines Ideals sozialer Teilhabe kritisierte? Die Antwort lautet: durch Erziehung. Allein die Erziehung der öffentlichen Schule bietet nach Dewey die Chance, der jungen Generation gemeinsame Erfahrung zu vermitteln. Langfristig verändert so die Schule die Gesellschaft. Erziehung ist nach Dewey demnach ganz der sozialen Aufgabe gewidmet, während die Forderungen des Curriculums – im Deutschen würde man von „Bildung“ sprechen – integraler Bestandteil der Erziehung ist. Dass die Hauptaufgabe der Schule in der Vermittlung von anspruchsvoller Bildung liege, war der Standpunkt einer wachsenden Kritikerschaft Deweys.

Lässt man das Rassenproblem einmal beiseite, wird man gewahr, dass Dewey eine ausgesprochen dynamische, von Selbstbestimmung geprägte Vision entwickelte, in welcher die Gesellschaft nicht als pluralistisches Szenario miteinander konkurrierender politischer und ökonomischer Interessen, sondern als Community gedeutet wird. In ihr existieren verschiedene Gruppen. Das kann Konflikte bergen, aber im Zuge einer lernbereiten Entwicklung zu tolerantem Verhalten lassen sich diese Konflikte auch pragmatisch lösen. Je weniger dabei absolute Standpunkte formuliert werden, desto wahrscheinlicher sind erfolgreiche Lösungen. Dewey besaß ein unerschütterliches Vertrauen in die Fähigkeit der modernen Gesellschaft, ihre Ziele selbst zu bestimmen und nach Bedarf zu verändern. Toleranz, die im Sozialisationsprozess durch mannigfache Vorurteile und Vorbehalte gefährdet ist, kann nicht primär durch Belehrung erreicht werden, sondern nur durch wechselseitigen sozialen Austausch, durch Gewinnung und Wachstum der Erfahrung im Miteinander – womit man möglichst schon im Vorschulalter beginnen sollte.

Die Methoden der Erziehung zur Toleranz bestehen darin, mit Schülerinnen und Schülern so umzugehen, dass – innerhalb der einzelnen Lerngruppe wie im Schulkomplex als Ganzem – ein freundliches, lebensfrohes Klima entsteht. Besuchern von Reformschulen, die ihr pädagogisches Profil danach ausrichten, fällt die anheimelnde Atmosphäre selbstverständlicher Freundlichkeit und guter Umgangsformen sofort auf. Selbstgesetzte Verhaltensregeln, soziale Interaktionen, wechselseitiges Helfen und Voneinanderlernen fördern die Autonomie des Einzelnen wie die Solidarität der Gruppe. So weit wie möglich sollen die Eltern in das Schulleben einbezogen werden und die Schule als ein soziales Zentrum der Kommune fungieren. Kommunikation und Erfahrungsaustausch unter den Kindern dienen letztlich der Bereitschaft zum Perspektivenwechsel und der Stärkung von Empathie. Ziel ist, die Sichtweise und die Interessenlage von Mitschülern zu verstehen und tolerieren zu lernen. Das eigene Interesse kann erfolgreicher artikuliert werden, wenn man Bedürfnislage und Zustimmungsbereitschaft von Mitschülern einzuschätzen gelernt hat. Nicht durch die theoretische Lektion, sondern durch soziale Aktion werden diejenigen, die mir anfangs fremd sind, zunehmend vertrauter. So können Vorurteile minimiert und das Gefühl für Fairness, d.h. für ein reziprokes Gerechtigkeitsempfinden im Umgang miteinander, erfahren werden.

Erziehung zur Toleranz ist wie alle pädagogische Bemühung nie frei von dem Risiko, unter ungünstigen Bedingungen zu scheitern. Es ist einsichtig, dass aus dem Elternhaus mitgebrachte ethnische Besonderheiten dem Toleranzbemühen Grenzen setzen, nur müssen alle Schülerinnen und Schüler auch die Chance haben, von diesen Besonderheiten zu wissen. Die offenbar werdenden kulturellen Differenzen können dann in altersangemessener Weise Gegenstand von gemeinsamen Gesprächen sein. Bei älteren Schülerinnen und Schülern bieten sich Kosten-/Nutzenüberlegungen zur Toleranz an. Die rationale Einsicht in die Vorteile einer toleranten Haltung beleuchtet ebenso die Grenzen unserer Kooperationsbereitschaft im Falle aggressiver Intoleranz. Toleranz kann aus der reformpädagogischen Sicht Deweys nur durch Erfahrungsaustausch, durch allmähliche Neustrukturierung der Erfahrung in einer Vielzahl unterschiedlicher Situationen der Bewährung wachsen. Dabei ist kluge pädagogische Führung durch die Lehrkräfte unerlässliche Voraussetzung. Die horizontale Gliederung der öffentlichen Schule in den USA verkörperte für Dewey einen hohen Wert: Sie stand und steht für ein demokratisches Bildungswesen in einer demokratischen Gesellschaft. Auf den in der Realität vorfindbaren Widerspruch, dass das private Bildungssystem Amerikas mit seinen Spitzenuniversitäten die Eliten hervorbringt, das öffentliche System demgegenüber mit sehr vielen Problemen zu kämpfen hat, ging Dewey nicht ein. Das Thema Elitebildung vermied er. Die Bedeutung von Eliten für die Zukunft der Gesellschaft verkannte er völlig. Er konnte Kritik üben, Forderungen stellen und auf künftige Verbesserungen des Zustandes der Gesellschaft hoffen, aber eine tragfähige Analyse der Dilemmata und Paradoxien der Bildung in der modernen Demokratie vermochte er nicht zu leisten.

Afroamerikanische Reaktionen

Dewey pflegte in vertrackten Situationen den Rat zu geben: „Wir müssen hier sehr intelligent handeln!“ Schon der Begriff „intelligent“ lässt die Situation besser aussehen und stärkt unseren Glauben, sie zu bewältigen. Dewey ist heute eine historische Gestalt und verdient ein abwägendes Urteil aus historischer Distanz.

Dewey kritisierte Rassismus und soziale Barrieren. Er äußerte sich zu Problemen der Integration der Immigranten (hier ist vor allem die verunglückte Studie über polnische Einwanderer in Philadelphia im Sommer 1918 zu nennen (Retter, 2009, S. 93ff.). Er schrieb keinen einzigen Aufsatz, in dem er das Bildungselend der Schwarzen, ihre Demütigung durch die Weißen, ihre Benachteiligung und ihre rechtliche Minderstellung konkret ausbreitete oder sich für die Aufhebung der Rassentrennung im öffentlichen Bildungssystem einsetzte. Andere, die nicht unbedingt Deweyaner waren, taten dies. Er betonte die Rolle der Schule als „sozialen Embryo“ der Gesellschaft“, forderte Aufhebung sozialer Barrieren, gelegentlich wandte er sich mit einem Halbsatz gegen Rassismus, vermied jedoch das Rassenproblem – die offene Wunde Amerikas, – zum Anwendungsgebiet von shared experience zu machen.

Zu jener Doppelfrage, die die Bildungsdiskussion in den USA über Jahrzehnte bestimmte, liegt keine substanzielle Stellungnahme Deweys vor: Ob es demokratisch und menschlich vertretbar sei, a) Afroamerikanern im allgemeinen Bildungssystem den Anspruch auf höhere Bildung zu verweigern; b) die gesetzlich (bis 1954) im Prinzip erlaubte Schultrennung schwarzer und weißer Kinder zu dulden oder gar gut zu heißen. So blieb alle Rede von der „Aufhebung sozialer Barrieren“ ein Hohn für die Betroffenen, falls sie Hoffnung auf ihn setzten.

Die Wiederentdeckung Deweys ab den neunziger Jahren im deutschsprachigen Raum war verdienstvoll und ein Gewinn. Weil diese Anfänge heute bereits der Historisierung anheim gefallen sind, lässt sich feststellen: Die jüngere deutsche Dewey-Renaissance brachte neuen Wind in die schlaffen Segel der von der Reformpädagogik-Diskussion emüdete Universitätspädagogik. Sie war gut gemeint. Doch, wie beim Anrücken von Heilsbringern üblich, verdrängte die Bewegung die Schatten und ließ nur das Licht der Erziehungsphilosophie Deweys leuchten. Mit dem Appell, Dewey und seine demokratische Pädagogik zu entdecken und neu zu lesen (anstatt den längst Verstorbenen abwägend aus historischer Distanz zu betrachten), blieb die Rekonstruktion des Deweybildes in der Wahl ihrer Kontexte hochselektiv und weithin kritiklos. Die bis heute anhaltende Mythenpflege entwickelte sich zu einem Zeitpunkt, als in den USA Stimmen laut wurden, die Dewey dem Vorwurf des latenten Rassismus aussetzten (Margonis, 2003; 2009). Deweykritik ist erst ein Thema der jüngsten Zeit (vgl. Fallace, 2011; Knoll, 1913; Retter, 2015, 2017; Konrad et al., 2017). Das Buch des afroamerikanischen Journalisten Ta-Nehisi Coates (2016), in dem der Autor seinem Sohn das ganze Ausmaß der Drangsalierung der schwarzen Rasse durch die weiße schildert, ist ein einziger Aufschrei, der auch als Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach Deweys Bedeutung für die Lösung des Rassenproblems verstanden werden kann: Es gibt kei­ne Hoffnung für Afroamerikaner, die Weißen zerstören die Körper der Schwarzen – heute wie in der Vergangenheit. Wir bleiben unten, und sie bleiben oben. Schluss mit diesem Gerede von Hoffnung.

In den Vereinigten Staaten kam dezidierte pädagogische Kritik an Dewey nach der Bürgerrechtsbewegung auf, in der sein geistiges Erbe – und er selbst posthum – schlicht „out“ waren. So konstatierte Goodenow (1975), dass bei Dewey und den Vertretern des Progressivismus bis Ende der dreißiger Jahre jedes Interesse fehlte, sich der Realität rassisch und ethnisch bedingter Konflikte zuzuwenden. Der sterile soziale Rekonstruktivismus des Deweyanisms, der die Schule zum sozialen Agens der Gesellschaft machte, habe das Rassenproblem als zweitrangig betrachtet.

Ein valides Kriterium zur Bewertung der Deweyschen Pädagogik in Bezug auf Lösung oder Linderung des Rassenproblems bilden Einschätzungen afroamerikanischer Sozialhistoriker und Pädagogen. Ihre Reaktion auf Dewey ist ausgesprochen verhalten bis kritisch. Diese Kritik bestand schon zu Lebzeiten Deweys. Das Buch des afroamerikanischen Historikers Carter G. Woodson, „The Mis-Education of the Negro“ von 1933 wandte sich deutlich gegen weiße „progressive“ Reformversuche Deweyischer Prägung. Es machte klar, dass alle öffentliche Bildung der Kontrolle und der Ideologie der Weißen untersteht. Während Dewey pragmatisch Denken und Handeln miteinander verschmolz, konterkarierte Woodson diesen Zusammenhang:

„Wenn du Kontrolle hast über eines Mannes Denken, brauchst du für sein Handeln nicht Sorge zu tragen. Du musst ihm nicht sagen, dass er hier oder dort zu stehen hat. Er wird den ihm zukommenden Platz von selbst finden und einnehmen. Du brauchst ihn nicht zum Hinterausgang zu schicken. Er wird von selbst dorthin gehen, ohne dass es ihm befohlen wurde. Und selbst wenn dort keine Hintertür sein sollte, wird er sie sich durch die Wand brechen. Seine Erziehung sorgt dafür“ (Woodson, 2010, S. 6f.).

Fallace (2011) vertritt in seiner wichtigen Studie über Deweys „Dilemma of Race“ die These, dass seine Sicht durch den ethnozentrischen Blick der kulturvergleichenden Forschung in der Hochzeit des Darwinschen Biologismus vor der Jahrhundertwende geprägt wurde;. Ob diese Sicht nach dem Ersten Weltkrieg keine Rolle mehr spielte, wie Fallace meint, bedarf wohl weiterer Prüfung. W.E.B. Du Bois sprach in seinen Lebenserinnerungn von William James als Freund, der sich des jungen Du Bois während seiner Harward-Studienzeit angenommen habe, während der schwarze Studierende an der Elite-Universität ansonsten sozial völlig ausgegrenzt lebte. Du Bois, seit 1916 in New York lebend, erwähnte ebenso Jane Addams als treue Helferin im Kampf um die Rechte der Afroamerikaner. Sie gehörte zum Kreis der „Freunde“. Dewey, der ihm als NAACP- und LIPA-Mitglied hätte viel näher stehen müssen, erwähnte Du Bois nicht. Dass Dewey ein einziges Mal öffentlich aussprach, „there is no inferior race“ (1909; zit. in Fallace, 2011, S. 106), kann man festhalten; ihn damit zum Vorkämpfer für die Rechte der unterdrückten Rasse erheben zu wollen, ginge zu weit.

Weiße Überlegenheit gehörte vor und nach 1900 zum Progressivismus wie zum liberalen Selbstbild, das Freiheit und Gleichheit forderte, doch zur konkreten rassischen Ungleichheit schwieg. Das war Deweys Dilemma. Shannon Sullivan macht deutlich, dass dort, wo heute innerhalb der weißen Mittelklasse das ernsthafte Bestreben vorhanden ist, Antirassismus als festen Bestandteil eigenen Wollens zu habitualisieren, ein Verharren in Scham über die Vergangenheit zur Gewinnung eigener moralischer Dignität nicht schon „normale“ unbefangene Offenheit der Beziehung zu anderen Ethnien herstellt. Auch so zu tun, als ob es kein Rassenproblem gäbe, ist für die Erziehung fatal. Man muss (anders als Dewey vorging) über verborgene Rassenkonzepte, unbewusste Suprematie, Vorurteile sprechen und den Prozess der Veränderung reflektieren, selbst wenn dabei Risiken und Brüche auftreten (Sullivan, 2014, S. 89-115).

Von afroamerikanischen Philosophen und Sozialhistorikern wird Dewey heute allenfalls dort in den Vordergrund gestellt, wo dies thematisch zwingend ist (West, 1989, S. 69ff.) oder die Dewey-Kritik bereits im Titel oder Untertitel der Abhandlung sichtbar wird (Taylor, 2004; Glaude, 2007; McCune, 2012). Alles in allem ist bei afroamerikanischen Universitätslehrern die historische Reaktion auf Dewey sehr viel distanzierter als bei weißen. Bemüht sich hier ein afroamerikanischer Publizist um eine wohlwollende Grundeinstellung zu Dewey (Lawson & Koch, 2004, S. 6; Alridge, 2008, S. 41ff.), erklärt dort ein anderer, warum Afroamerikaner dem bedeutendsten weißen Philosophen Amerikas heute mit betretenem Schweigen begegnen (Taylor, 2004), ein dritter spricht ungeschminkt vom exkludierenden Charakter des interessengelenkten Pragmatismus der Weißen, sogar vom Rassismus Deweys, der, pragmatisch, die schulische Segregation mittels beredten Schweigens bejahte, und der, wiederum pragmatisch, den Genozid an Afroamerikanern durch Eugenik schweigend gebilligt habe (McCune 2012). Deutliche Kritik erfährt der „Romantizismus“ derjenigen, die sich bemühen, Deweys Gedanken weiterzuverbreiten (Curry, 2010, S. 49, S. 53). Die beeindruckendste Reaktion auf Deweys Befangenheit in den Widersprüchen seines sozialen Denkens ist Trauer (Glaude 2007). Stille Distanzierung von Dewey deutet sich an, wenn ein bekannter afroamerikanischer Hochschullehrer „The Afro-American Struggle for Knowledge in White America“ zum Thema machte, der weiße Autor von „Demokratie und Erziehung“ jedoch mit keinem Wort erwähnt wurde. (Ballard, 1973). Im Bewusstsein der „Color Line“ (Du Bois, 1986, S. 359) – jener Grenze, die der koloniale Blick des Weißen erzeugt, um Afroamerikaner zu zweitklassigen Menschen zu machen – wurde Dewey von den Betroffenen mitnichten zum Protagonisten im politischen Kampf um Gleichberechtigung gekürt, auch wenn ihm Walter White (NAACP) 1952 einen ehrenden Nachruf widmete.

Dewey bestätigte durch sein Verhalten den „Racial Contract“. Dieser Terminus des afroamerikanischen Philosophen Charles W. Mills ist heute in der Diskussion des amerikanischen Rasse-Dilemmas eine zentrale Denkfigur. C.W. Mills übertrug mit diesem Begriff in ironischer Absicht die europäisch-weiße Tradition der politischen Philosophie des Gesellschaftsvertrages auf die Nachkommen der Sklaven als heutige Bürger und Bürgerinnen der USA. Der „ethnische Vertrag“ ist das stillschweigende, bis heute gültige Übereinkommen der Weißen, die rassische Suprematie gegenüber Negroes als ungewolltes Nebenprodukt menschlicher Unvollkommenheit erscheinen zu lassen, so dass sie eigentlich gar nicht existiert. Im Band von Charles Mills fand Dewey keine Erwähnung. Die gelegentliche Forderung eines weißen Liberalen nach rassischer Gleichberechtigung war Teil des Racial Contracts. Sie rechtfertigte die tatsächlich herrschende soziale Ignoranz im weißen Ethnozentrismus. Deshalb blieb Dewey bei afroamerikanischen Intellektuellen in den vergangenen Jahrzehnten ohne Chance, zum Kandidaten einer anempfohlenen Wiederentdeckung zu werden.. Die Versuchung, das „Race Dilemma“ nur allgemein als bedauerlich zu bezeichnen, ihm aber konkret nicht zu Leibe zu rücken, hätte Dewey nicht heimgesucht, wenn er als Schwarzer, als Kind von Sklaven-Eltern, 1859 geboren worden wäre. Die Amerikaner mit nichtweißer Hautfarbe, deren Urerfahrung die Unerwünschtheit war, in den USA als gleichberechtigte Bürger zu gelten, stellten ein nationales Dilemma dar, das die Nachkommen der weißen Siedler und die nachfolgenden Einwanderer aus Europa zu verantworten hatten, nicht aber die Nachkommen derjenigen, die zuvor Besitz der Weißen waren und deren Besitzstand zu mehren hatten. Die Behauptung, dass nicht die Schwarzen, sondern die Weißen das Problem Amerikas darstellen (Sullivan, 2006; Yancy, 2004), entspricht den historischen Fakten, wurde jedoch von Dewey nicht thematisiert.

Ausblick

Deweys hier nachgezeichneter Umgang mit dem Rassismus seiner Zeit ist kein moralisches Urteil über sein Werk oder über seine Gesinnung. Mein Beitrag wirft einen Blick auf ein zentrales gesellschaftliches Problem – verknüpft mit der Frage, wie Dewey mit ihm umging. Damit ist kein abschließendes Urteil gefällt, sondern eine Hypothese formuliert zur Eröffnung einer Diskussion. Deweys Werk bietet in der Vielfalt seiner Themen viele Anknüpfungspunkte, so dass die Rekonstruktion seiner Philosophie nach wie vor wichtig bleibt (Fesmire, 2015). Da er in schlechten Zeiten durch seine Philosophie Besserung trotz fehlender Gewissheit in Aussicht stellte, war die Neigung der Suchenden groß, ihn immer wieder zu zitieren. Das gilt besonders für Ethik, Ästhetik und Sozialphilosophie Deweys. Dass das Grundsatzurteil des Supreme Court von 1896 im Fall Plessy v. Ferguson, das Rassentrennung rechtfertigte („unter gewissen Voraussetzungen“, die in der Praxis kaum eine Rolle spielten), jedoch in Deweys Sozialtheorie unerwähnt blieb – selbst dann, wenn er die Aufhebung von sozialen Barrieren forderte, ist unfassbar.

Es fällt auf, dass der Darwinist und Religionskritiker Dewey an den Theorien des Darwinisten und Religionskritikers Sigmund Freud zur Sexualität als Konflikte bedingendes, Kultur und Alltag prägendes Phänomen kaum Interesse zeigte. Selbst dann nicht, nachdem Deweys Doktorvater G. Stanley Hall 1909 Freud zu Vorträgen in die USA eingeladen hatte und Freuds Psychoanalyse dort beispiellose Triumphe feierte. Die Verdrängung von Sex und „Lust“ aus der sozialen Wirklichkeit veweist auf Restbestände des einstmals frommen Puritanismus in der Sozialtheorie Deweys. Denn die Sexualität zu entdecken und sich von der bürgerlichen Scheinmoral zu emanzipieren war das neue Vergnügen der Epoche, das in Europa Malerei, Theater und Literatur seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert beherrschte und Amerika ebenso ergriffen hatte. Deweys Distanz dazu wird im Kapitel Heirat und Familie der Ethik-Zweitauflage sichtbar. Hier ist kurz von Freud die Rede (LW 7, S. 448). Freuds Konflikttheorie war unannehmbar für Deweys organisch-ganzheitliche Sicht. Dem Phänomen Aggression schenkte Dewey kaum Aufmerksamkeit. Weder gerechte Machtausübung – Macht wird nur kritisiert – noch die besondere Gewaltbereitschaft im Alltag als historisches Problem der amerikanischen Gesellschaft (Knöbl, 2006) machte Dewey zum Thema.

Nichtsdestotrotz: Dewey bleibt als Vorkämpfer für die Demokratie auch dann erwähnungspflichtig, wenn der historische Abstand zur Wahrnehmung des zeitgeschichtlichen Hintergrundes seines Demokratieverständnisses nötigt. Die Vielgestaltigkeit seines Werkes weckt nach wie vor Interesse. Doch es gibt so etwas wie eine „Dewey-Falle“: In ihr bleiben jene gefangen, die ihn nur zitieren und meinen, damit wäre man schon einen großen Schritt weiter. Doch wer sich nicht auseinandersetzt mit der aus historischem Abstand zu gewinnenden Einsicht, dass Deweys Philosophie, die Kant überwinden wollte, dies und vieles andere keineswegs zu leisten vermochte, geht nicht vorwärts, sondern 100 Jahre „Democracy and Education“ zurück. Dewey beschritt einen eigenen Weg der Wahrheitssuche, der Vorteile, doch ebenso Grenzen und Dilemmata besitzt. Erfahrung, die sich bildet, ohne eine außer ihr befindliche Urteilsinstanz zu besitzen, wie dies in Deweys Philosophie zum Ausdruck kommt, hat es besonders schwer, richtige Einsichten von falschen Gewissheiten zu trennen. Kurzfristig als „erfolgreich“ ausgewiesene Erfahrungen sind, das hat sich inzwischen heraus gestellt, langfristig oft tödlich. So wird man heute Deweys hoffnungsvolle Fiktionen vom rassismusfreien, toleranten Verbundensein aller Menschen – Zukunftsbilder, die von Dewey-Intepreten oft zitiert werden – weiterhin gern lesen. Doch man wird ebenso dem bloßen Gedanken ein Handeln gegenüberstellen wollen, das sehr viel stärker als Dewey dies leistete, Grenzen beachtet. Es bleibt weiterhin die Aufgabe, die Balance zu finden, einerseits Grenzen zu respektieren, andererseits zu versuchen, sie in gemeinsam entdeckter Offenheit füreinander mit wachsender Zuwendungsbereitschaft zu überwinden – oder aber diese Grenzen zu benennen und in wechselseitigem Respekt zu beachten.

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Über den Autor

Prof. Dr. Hein Retter: Emeritus, Technische Universität Braunschweig, Institut für Erziehungswissenschaft (Deutschland). Website: www.tu-braunschweig.de/allg-paed/personal/ehemalige/hretter; Kontakt: h.retter@tu-bs.de

Endnoten

i Ohne dies auszusprechen erinnert Dewey mit diesem Satz an das 1885 erschienene Buch von Henry S. Maine, „Popular Government“, in dem es abschätzig hieß: „Democracy is only a form of government“. 1888 trat Dewey in „The Ethics of Democracy“, Maines politischem Verriss der Demokratie entgegen, wobei er den zitierten Ausspruch Maines erwähnte (EW 1, S. 229). Dabei war Maine sogar bereit zuzugeben, dass das „amerikanische Experiment“ der Demokratie bei sorgfältiger Beachtung aller Rechtsgrundsätze wertvoll sei (en detail: Retter, 2009, S. 62).

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