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By Claudia Rupp | April 12, 2015
Bargen, Imke von (2014): Lehrkräfte in einer globalisierten Welt. Eine länderübergreifende Studie zu ihrem beruflichen Selbstverständnis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. (ISBN: 978-3-658-06189-0)
Imke von Bargen erforscht in ihrer Studie, inwiefern das berufliche Selbstverständnis von Lehrkräften in England und Deutschland durch nationale Besonderheiten bzw. globale Tendenzen geprägt ist. Vor allem mit Blick auf ähnliche Steuerungstendenzen in beiden Ländern stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Nation mit Blick auf die Globalisierung zukommt und inwiefern sich dies auf die Profession auswirkt. Das Ziel der Studie besteht darin, „die Bedeutung des Bildungssystems zu erfassen, in dem eine Lehrkraft arbeitet, und zu untersuchen, inwiefern eine Lehrkraft dadurch beeinflusst wird.“ (S. 18) Um dieses Ziel zu erreichen, greift Imke von Bargen auf theoretische Annahmen aus der Vergleichenden Erziehungswissenschaft und Professionsforschung zurück und führt darauf aufbauend eine empirische Studie in den beiden Vergleichsländern durch.Zu Beginn ihrer Forschungsarbeit setzt sich die Autorin zunächst mit dem Begriff der „Globalisierung“ auseinander, indem sie Wallersteins Weltsystemtheorie, den World-Polity-Ansatz von Meyer/Ramirez sowie Lang-Wojtasiks Ansatz aufgreift und in ihrer Relevanz für das Forschungsvorhaben diskutiert. An diese Begriffsbestimmung schließen sich Überlegungen über die Schulentwicklung in globaler als auch länderspezifischer Sicht an, wobei hier auch historische Entwicklungslinien eingeschlossen werden. Als Fazit fasst Imke von Bargen zusammen, dass „von der Globalisierung zum einen vereinende Entwicklungen aus[gehen], die alle Länder betreffen. Zum anderen wirken sich diese Entwicklungen unterschiedlich auf das jeweilige Bildungswesen aus und treffen auf nationale Partikularitäten.“ (S. 48)Auf diesem Hintergrund beschreibt die Autorin dann, inwiefern diese Entwicklungen die berufliche Situation sowie den in den Ländern geführten Professionalisierungsdiskurs beeinflussen. Dieser kreist in beiden Ländern um ähnliche Themen wie beispielsweise Arbeitsbelastung oder Autonomie, wird aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten sowie zu verschiedenen Zeiten geführt. Ergänzend nimmt sie international vergleichende Studien in den Blick. Hierbei kommt sie zu folgendem Ergebnis: „Es fehlen Studien, welche die Lehrkraft als Ganze in den Blick nehmen. In dem anschließenden Kapitel wird daher ein geeignetes Konzept entwickelt.“ (S. 81)Das Konzept des beruflichen Selbstverständnisses, welches das Tertium Comparationis der Studie darstellt, wird dann in der Auseinandersetzung mit bereits vorhandenen Konzepten wie beispielsweise dem Teacher Professional Knowledge, Lehrerleitbild, Habitus oder Subjektiven Theorien entwickelt. „Das berufliche Selbstverständnis umfasst die subjektive Sichtweise eines Einzelnen, ist partiell; es bildet einen Teil des gesamten Selbstverständnisses, wird in Relation zu gegenwärtigen Entwicklungen gesetzt.“ (S. 98). Eine inhaltliche Füllung des beruflichen Selbstverständnis erfolgt durch den empirischen Teil der Studie.Mit Blick auf die bisherigen Überlegungen begründet Imke von Bargen ihr Forschungsdesign. Beispielsweise geht sie auf Anforderungen ein, welche durch einen länderübergreifenden Ansatz entstehen können. So werden Fachtermini aufgrund ihrer Bereichsspezifität nicht übersetzt, sondern erklärt und die Interviews in der jeweiligen Landessprache durchgeführt und ausgewertet. Sowohl in England als auch in Deutschland führt sie leitfadengestützte Interviews mit Lehrkräften aus dem Primar- und Sekundarschulbereich durch. Bei der Auswahl der Befragten ist hierbei leitend, dass die Lehrpersonen verschiedene Fächer unterrichten, beiderlei Geschlechts sind und in unterschiedlichem Maße Berufserfahrung haben. Durch ein zweistufiges Auswertungsverfahren, welches aus einer Inhaltsanalyse und einer anschließenden Typenbildung besteht, beschreibt von Bargen dann das berufliche Selbstverständnis von Lehrkräften.Als ein wesentliches Ergebnis ihrer Arbeit stellt die Autorin fest, dass das berufliche Selbstverständnis von Lehrkräften sowohl durch die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen als auch bildungspolitischen Veränderungen geprägt ist, wobei diese auf nationale Besonderheiten und auf globale Phänomene verweisen. So nehmen beispielsweise Lehrpersonen in England als auch in Deutschland eine Einschränkung ihrer Autonomie bei gleichzeitiger Erhöhung administrativer Aufgaben wahr. Als nationale Besonderheit („streng genommen beziehen sich die Ausführungen auf regionale Besonderheiten“ [S. 229]) identifiziert sie beispielsweise, dass der berufliche Status bzw. das berufliche Selbstverständnis in NRW u.a. mit der Schulform, an der die Lehrkraft arbeitete, verknüpft wurde. So grenzten sich insbesondere Gymnasiallehrkräfte von anderen Lehrkräften ab, „der als ‚besonders‘ wahrgenommene Stand wird mit fachlichen Qualifikationen und einer Vermittlung von Wissen begründet“ (S. 229). In England wurde der berufliche Status vielmehr über die Berufsbezeichnung („classroom teacher“ vs. „head of department“ [S. 231-2]) zum Ausdruck gebracht.In einem abschließenden Ausblick beschreibt von Bargen Forschungsdesiderata und thematisiert die Reichweite ihrer Studie. Hierbei hinterfragt sie, inwiefern tatsächlich globale oder eher westliche Einflüsse untersucht wurden. Dabei stellt sie verstärkt westeuropäische Tendenzen fest, „aus diesen Gründen wird der Begriff eines ‚globalen‘ Selbstverständnisses vermieden und stattdessen der Begriff eines länderübergreifenden Selbstverständnisses verwendet.“ (S. 248) In ihren abschließenden Überlegungen stellt Imke von Bargen fest, dass es ihr aufgrund des länderübergreifenden Ansatzes gelingen konnte, nicht nur „Wahrnehmungen und Deutungen der Mechanismen der veränderten Steuerung“ aufzuzeigen, sondern auch auf nationale Besonderheiten einen neuen Blick zu werfen und somit „Raum für (Neu-)Interpretationen bestehender und aufkommender Phänomene zu geben (vgl. Larsen 2010).“ (S. 250)

Diesem Schlussfazit von Imke von Bargen kann man zustimmen. Durch den Einbezug möglicher globaler Phänomene erweitert sich der Fokus der Analyse auf weltweite Verflechtungen. Die Schwierigkeit besteht darin, diese kaum präzise fassbaren, komplexen Verflechtungen, welche vielleicht auch eher in kollektiven Deutungsmustern nachvollziehbar sind, im ‚konkreten‘, individuellen beruflichen Selbstverständnis von Lehrkräften nachvollziehbar zu machen. Gerade in diesem Sinne ist es positiv hervorzuheben, wie sich Imke von Bargen innerhalb dieses hochkomplexen Themenfelds einen eigenen, klar und gut durchdachten Weg zur Beantwortung ihrer Forschungsfrage sucht und findet. Ihre Untersuchungsergebnisse liefern in der Tat den Anreiz, weitere Studien mit ähnlicher Blickrichtung durchzuführen: Wenn die Bedeutung der Nation im Horizont der Globalisierung aufgeweicht wird, welche Bedeutung kommt dann dem konkreten lokalen (schulischen) Kontext zu, in dem die Lehrkräfte arbeiten? Welche Rolle spielt hierbei die (Berufs-)Biografie von Lehrkräften, beispielsweise auch mit Einbezug von Lehrkräften mit Migrationshintergrund? In diesem Sinne stellt Imke von Bargens Studie „Lehrkräfte in einer globalisierten Welt“ einen wichtigen Impuls sowohl für die Vergleichende Erziehungswissenschaft als auch die Professionsforschung dar.

Rezensiert von Claudia Rupp, M.A., Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, Deutschland. Kontakt: claudia.rupp@ph-freiburg.de

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