Forschungsmethodologie zum Wesen und Inhalt der beruflichen Identität der Hochschullehrkräfte

By Ausma Spona | February 26, 2017

Zusammenfassung: Die philosophische Auffassung des Menschen liegt den Forschungen über das Werden und die Selbstrealisierung der Persönlichkeit eines Menschen zugrunde. Die Frage nach „dem Menschen“ ist zur Überlebensfrage der Menschheit geworden. In den wissenschaftlichen Zentren Europas, der USA, Kanadas, Chinas, Australiens wird das Gleichgewicht der biologischen, psychischen und sozialen Komponenten in der Entwicklung des Menschen immer aktiver erforscht. Eine Forschergruppe der Akademie für Lehrerbildung und Bildungsadministration Riga und der Staatsuniversität Smolensk (Russland) analysierte die berufliche Identität der Hochschullehrkräfte von zweiKulturen mit dem Ziel, das Wesen der beruflichen Identität der Pädagoginnen und Pädagogen zu analysieren und eine Forschungsmethodologie festzulegen. Methodologie in der Pädagogik ist die Lehre über die Einheit von Theorie und Methoden der Forschung. Die Struktur der Methodologie der Wissenschaft bildet vier Ebenen: l) allgemeintheoretische, philosophische, methodologische Prinzipien und Ansätze; 2) allgemeinpädagogische methodologische Prinzipien, 3) Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien des Teilgebietes Pädagogik, 4) Prinzipien der Auswahl und des Einsatzes der Forschungsmethoden für ein bestimmtes Thema, die auf empirischen Daten basieren. Die methodologischen Quellen dieser Forschung sind theoretische Literatur, Dissertationen in Pädagogik sowie eigene Erfahrungen der pädagogischen und wissenschaftlichen Tätigkeit. Die Forschungsergebnisse beweisen, dass die berufliche Tätigkeit der Hochschullehrkräfte und die Qualität der Entwicklung der Gesellschaft einander beeinflussen und miteinander verbunden sind.
Schlüsselwörter: Berufsidentität der Pädagoginnen und Pädagogen, Methodologie der wissenschaftlichen Forschung, internationale Zusammenarbeit

Summary (A methodology for researching the nature and substance of the professional identity of post-secondary teachers): Research on the development and self-realization of human personality is based on the perception of humans as philosophical beings. The question surrounding the „human being“ has become a question about the survival of humanity. In research centres in Europe, the USA, Canada, China, Australia the balance between biological, psyological and social components in human development is becoming an evermore active research focus. A research group from the Academy for Teacher Education and Educatioanl Administration Riga and the State University Smolensk (Russia) analyzed the professional identity of post-sendary teachers from two cultures with the aim of analyzing the nature of the professional identity of pedagogues and to determine a research methodology. Methodology in pedagogy involves teaching about the untiy of theory and research methods. The structure of scientific methodology is composed of four levels: 1) general theoretical, philosophical, methodological principles and approaches; 2) general pedagogical methodological principles; 3) regularities and principles of the sub-field of pedagogy; 4) principles of selection and use of research methodologies for a specific theme, based on empirical data. The methodological sources of this research are theoretical literature, dissertations in pedagogy as well as individual experiences of pedagogical and scientific activities. The research results show that the professional activity of post-secondary teachers and the quality of societal development influence and connect with each other.
Keywords: Professional identity of pedagogues, methodology of scientific research, international collaboration

Резюме (Аусма Спона: Методология исследования сущности и содержания профессиональной идентичности педагогов вузов): Исходя из идеи высокой ценности человека, особую важность в мире получают педагогические исследования о становлении и самовыражении человеческой личности. Научные центры – университеты Европы, США, Канады, Китая, Австралии активизируют исследования, направленные на уравновешивание биологического, психического и социального компонентов в развитии человеке. Группа исследователей Рижской академии педагогики и управления образованием в сотрудничестве с учеными Смоленского государственного университета (Россия) исследовала профессиональную идентичность педагогов вузов двух национальных культур. Цель исследования – проанализировать сущность профессиональной идентичности педагогов, определить методологию исследования. Методология в педагогике – учение о единстве теории и методов исследования. Структура методологии науки содержит 4 уровня: 1) общетеоретические философские методологические принципы и подходы, 2) общепедагогические методологические принципы, 3) закономерности и принципы конкретной области педагогической науки, 4) принципы выбора и использования методов исследования в конкретной теме, опирающиеся на эмпирические данные. Методологические источники данного исследования – теоретическая литература, педагогические диссертации, накопленный собственный опыт педагогической практики и научных разработок. Результаты исследования доказывают, что профессиональная деятельность педагогов вузов и качественное развитие общества – взаимосвязанные и взаимообусловленные процессы.
Ключевые слова: профессиональная идентичность педагога, методология научного исследования, международное сотрудничество


Einleitung

Die Reformen in der Entwicklung der Gesellschaft rufen qualitative Veränderungen auch im Leben eines jeden Menschen hervor. Gleichzeitig führen die Reformen in der Gesellschaft zu Reformen im Bildungssystem, die ihren Einfluß auf jede Familie haben. Das ist ein einheitlicher Prozess. In Lettland ist ein Widerspruch zwischen der Qualitätsentwicklung in der Gesellschaft und im Bildungssystem zu beobachten. Ein wesentlicher Widerspruch besteht darin, dass die Gehälter der Pädagogen dem Arbeitsumfang und der Verantwortung für die junge Generation und ihre Entwicklung zu freien, selbständigen sowie kreativen Persönlichkeiten, nicht entsprechen. So z.B. erhalten LehrerInnen der allgemeinbildenden Schulen für eine Stelle (30 WoStd., davon 21 Kontaktstunde) 420 € monatlich (ab September 2016 werden 680 € versprochen). Eine dauernde Lohndiskrepanz auf allen Bildungsebenen bringt negative sozialpädagogische Konsequenzen mit sich. Zum einen kommen junge LehrerInnen nicht in die Schulen und zum anderen besteht in den Bildungseinrichtungen ein katastrophaler Mangel an männlichen Pädagogen. Es gibt Schulen, in denen kein männlicher Lehrer beschäftigt ist. Auch an Hochschulen, besonders pädagogischen Hochschulen, ist das Bild ähnlich. Deshalb sind Forschungen über die berufliche Identität der Hochschullehrkräfte in Lettland besonders bedeutend und aktuell.

An den Universitäten sind die wesentlichen intellektuellen Ressourcen konzentriert, die in großem Maße zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft beitragen.

Der Begriff „Identität” bedeutet die Zugehörigkeit des Menschen zu einer sozialen Gruppe. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe mit bestimmten Charakteristika, die zur Erfüllung von beruflichen Hauptaufgaben erforderlich sind, werden in einer bestimmten Ausbildung und in der Vorbereitung auf die berufliche Praxis erworben. Die berufliche Identität der Hochschullehrkräfte entsteht in der Vorbereitungsphase der akademischen und wissenschaftlichen Tätigkeit während des Studiums und im Promotionsstudium. Die berufliche Identität dagegen entwickelt sich erst während der akademischen und wissenschaftlichen Tätigkeit. In ihrer beruflichen Tätigkeit kommt die Lehrkraft zum Verständnis ihrer eigenen Persönlichkeit, verbessert sich gezielt beruflich, wird sich der Bedeutung des Berufes für sich selbst, für Studenten, Kollegen, Universität und Öffentlichkeit bewusst. Die professionelle Identität ist verbunden mit persönlichen Überzeugungen, mit Pflichten und Verantwortlichkeit, Erwartungen und Vertrauen in die beruflichen Karrieremöglichkeiten. Die Grundlage für die berufliche Identität bildet ein persönliches Verständnis vom eigenen Selbstwert und der Bedeutung des Berufes. Die Grundlage für Selbstwertgefühl und die Bedeutung bilden die Grundrechte, Möglichkeiten sie zu realisieren und Ansichten über die professionellen Werte. Doch im Alltag sind geschlechtsspezifische Unterschiede in den Ansichten über professionelle Werte festzustellen.

Was sind die Struktur und die Inhalte der beruflichen Identität der modernen Hochschullehrer, gibt es hier Unterschiede in Abhängigkeit von der Kultur? Diese Fragen haben sich Pädagogen und Psychologen aus Lettland (Hochschule für Lehrerbildung und Bildungsadministration Riga) und Russland (Universität Smolensk) gestellt. Im Studienjahr 2013/2014 wurde ein Vertrag über die Zusammenarbeit zwischen den beiden Einrichtungen unterzeichnet.

Der Artikel zielt darauf ab, zu entdecken, wie die Forschungsmethodologie zur Entwicklung und zum Einsatz der Forschungsmethoden des Wesens und der Struktur der beruflichen Identität der Lehrkräfte aufgebaut wurde.

Forschungsmethodologie und Bildung des Inhaltes der beruflichen Identität

Die berufliche Tätigkeit eines Menschen ist eine bedeutende Komponente seines Lebens. Für Forschungszwecke ist es wichtig, das Leben zu definieren bzw.den Begriff Leben und seine Parameter genau zu beschreiben.

Die Grundlage einer jeden pädagogischen Forschung ist Methodologie, d.h. Lehre von Einheit der Theorie und Forschungsmethoden (Hillmann, 1994).

Die berufliche Identität der Lehrkräfte erforschen wir auf vier Ebenen der Methodologie: philosophische bzw. allgemeinwissenschaftliche Ansätze, grundlegende Prinzipien der allgemeinen Pädagogik, theoretische Gesetzmäßigkeiten der Hochschulpädagogik und Begründung der Ausahl und des Einsatzes der wissenschaftlichen Forschungsmethoden.

In den allgemeinwissenschaftlichen philosophischen oder methodologischen Ansätzen der pädagogischen Forschungen des 21. Jh.s spielt der Mensch die bedeutendste Rolle, denn sein Leben wird als der höchste Wert in der heutigen Welt anerkannt.

Bereits im 18. Jahrhundert hat der deutsche Philosoph des Idealismus Immanuel Kant (1724-1804) die Idee formuliert, dass jeder ein Selbstzweck ist, nicht ein Mittel (Кант, 1967). Der Mensch ist nicht nur ein kognitives Subjekt, er ist ein lebendiges und aktives Wesen.

In seiner Arbeit “Phänomenologie des Geistes” weist Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) darauf hin, dass der Mensch in seiner Tätigkeit sich selbst bildet sowie Fähigkeiten und Selbstwertgefühl erwirbt (Hegel, 1979).

Die Forschungen über das menschliche Leben werden aktiv im 19. Jahrhundert fortgesetzt. In seinem Werk Stadien auf des Lebens Weg” (1845) beschäftigt sich Seren Kierkegaard (1813-1855) direkt mit der Frage „Was ist Leben?”. Er versteht das Leben als Synthese existentieller Erlebnisse und Zusammenhänge.Von besonderer Bedeutung für das menschliche Leben ist seiner Meinung nach das Auswahlprinzip “entweder – oder”, das heißt, der Mensch hat Recht und Freiheit, persönlich zu entscheiden. Durch die Demokratisierung der Gesellschaft wird das Prinzip der freien Wahl in der Pädagogik sehr wichtig, es wird zu einer grundlegenden Anforderung im Bildungsprozess.

Von großer Bedeutung in der Philosophie sind die Forschungen des menschlichen Lebens des Schriftstellers, Philosophen und Professors für klassische Philologie Friedrich Nietzsche (1844-1900). Er ist der Meinung, dass sich der Mensch im ständigen Werden befindet, seine Werte neu wertet und an die neuen Werte glaubt und dass das ein lebenslanger Prozess ist. Nietzsche hat erkannt, dass der größte Wert des Menschen das vitale Leben ist (Nietzsche, 1964).

In Europa prägte diese Idee die lettische Philosophin und Schriftstellerin Zenta Mauriņa (1897-1978). Für sie sind das menschliche Leben und das Leben selbst “heilige Konzepte”. Im Buch “Die weite Fahrt ” analysiert und bewertet sie ihr Leben. Dieses Buch, das 1951 in die deutsche Sprache übersetzt und veröffentlicht wurde, war in Deutschland sehr beliebt. 1954 erschien das Buch dann auch in Schweden. Zum ersten Mal in lettischer Sprache wurde es in Toronto (Kanada) im Jahr 1955 veröffentlicht. In Lettland konnte man es jedoch erst 1966 lesen.

Für unsere pädagogische Studie besonders wichtig ist der deutsche Philosoph des 20. Jahrhunderts Hans Georg Gadamer (1900-2002). Er formuliert das Leben als „Selbstbestätigung eines Ganzen. Der einzige Weg, um zu erfahren, was das Leben ist, ist “Selbstgefühl”. Diese Idee Gadamers vom Selbstgefühl ist im Einklang mit Hegels Gedanke, dass das Selbstgefühl durch den Erwerb von Fertigkeiten gebildet wird (Gadamer, 1999).

Die Erkenntnisse aus den reichhaltigen Werken von Philosophen über das menschliche Leben geben uns die Möglichkeit, das Leben für theoretische und praktische Bedürfnisse der Pädagogik zu definieren. So sind die Hauptkomponenten in pädagogischen Forschungen über das Leben: Selbstgefühl, ausgeglichene Entwicklung und Selbstausdruck in Handlungssituationen. Dies bedeutet, dass die genannten Komponenten auch zu den grundlegenden Kategorien in der Pädagogik werden.

Ein solcher Ansatz im Verständnis für das menschliche Leben in der Hochschulpädagogik kann den Lehrkräften helfen, sich bewusst zu werden, über die Notwendigkeit und die Art und Weise der Unterstützung und Hilfe für die Studenten während ihres Studiums. Diese allgemeinwissenschaftlichen methodologischen Ansätze brachten uns auf den Gedanken, in die Forschung der Struktur des Inhaltes der beruflichen Identität von Lehrkräften, die Komponenten „Philosophie des Berufs” einzubringen.

Eine wichtige methodologische Grundlage bei der Erforschung der beruflichen Identität der Lehrkräfte in Pädagogik sind Grundprinzipien der allgemeinen Pädagogik: Übereinstimmung mit der Natur, der Kultur, der Entwicklung und persönlich wichtiger Tätigkeit.

Vom Prinzip der Übereinstimmung mit der Natur in der Pädagogik sprach als erster Jan Amos Comenius. In seinem Werk „Didactica magna” behauptet er, dass der Mensch das edelste Geschöpf und sein Wissensdurst angeboren ist (Komenski, 1992). Also ist der Bedarf an neuem Wissen auch ein objektiver Prozess. Nur Wissen macht einen Menschen zum Menschen, aber im Dschungel des Unwissens entsteht immer das Böse, so Comenius. Deshalb muß der Mensch lernen, sich auszubilden und er muss erzogen werden, um sich harmonisch zu vervollkommnen. Das ist nur erreichbar durch Entwicklung und Selbstausdruck in einer Tätigkeit, die der Natur des Menschen entspricht. Das Prinzip von Comenius der Übereinstimmung mit der Natur in der Pädagogik hat die Entwicklung der Erziehungs- und Unterrichtstheorie bis heute gefördert, eigentlich hat Comenius auch als erster ein System von lebenslangem Lernen entworfen.

Das von Comenius entdeckte allgemeinpädagogische Metaprinzip der Übereinstimmung mit der Natur ist zum methodologischen Ansatz in den wissenschaftlichen Forschungen geworden. Deshalb wurden in die Struktur der beruflichen Identität der Lehrkräfte die Komponenten „berufliche Kenntnisse” und „berufliche Rollen” integriert.

Das zweite allgemeinpädagogische bzw. Metaprinzip ist das von Adolf Diesterweg formulierte Prinzip der Übereinstimmung mit der Kultur (zitiert in: Siebert, 1953). Seiner Ansicht nach ist das Kind kein abstraktes Wesen. Seine Entwicklung ist verbunden mit einer bestimmten Zeit und Umgebung unter bestimmten Bedingungen. Das sind Faktoren, welche seine Entwicklung wesentlich beeinflussen. Dieses methodologische Grundprinzip ist heute in Europa besonders wichtig. Das Zusammentreffen der Vielfalt von Kulturen aus drei Kontinenten ist ein sehr komplizierter sozialer und pädagogischer Prozess. Wie entwickelt sich das Bildungssystem in Europa und der pädagogische Alltag in den Schulen, in denen Kinder mit so unterschiedlichen Kulturen lernen? Die Vielfalt der Kulturen beeinflusst auch die Prozesse an Hochschulen. Das bedeutet, dass für die berufliche Identität der Lehrkräfte auch die „soziale Aktivität” eine bedeutende Komponente ist.

Auch die Tätigkeit der Lehrkräfte erfährt wesentliche Veränderungen bei den Studenten und Lehrkräften. Durch die Erweiterung der Zusammenarbeit und Integration der Wissenschaften werden auch die dialogischen Formen (Student ↔ Student und Student ↔ Lehrkräfte) im Studium vervollkommnet. Die Zusammenarbeit von Lehrenden und Studierenden ermöglicht eine gegenseitige Bereicherung, durch Erfahrungsaustausch beim Lernen, Selbstbewertung und Evaluierung des Studienprozesses und seiner Ergebnisse. Die berufliche Identität der Lehrkräfte wird inhaltlich an Strukturkomponenten reicher, da sich ihr Inhalt ändert. Das weist auf die wachsende Bedeutung der Dialektik in den heutigen Forschungen der Hochschulpädagogik hin, weil es in der Tertiärbildung dynamische Veränderungen gibt. Grauman und Diel unterstreichen die rasante Internationalisierung der Tertiärbildung im 21. Jh.:

„Ein wichtiges Merkmal der Internationalisierung der Hochschulbildung ist die Beteiligung der Universitäten an internationalen Programmen verschiedener Typen: globalen, zwischenstaatlichen, organisationsübergreifenden und interuniversitären Programmen” (Graumann & Diel, 2011, S. 37).

Daher sind an einer modernen Universität “Kommunikation mit den KollegInnen” und “berufliches Verhalten” sehr wichtig. In den Jahren 2013 bis 2015 haben die Lehrkräfte in Riga und Smolensk Inhalt und Struktur der beruflichen Identität modelliert.

Entwicklung der beruflichen Identität der Hochschullehrkräfte

Forschungen über die berufliche Identität der Lehrkräfte sind wichtig, weil sie helfen die notwendige Unterstützung für Studenten und Lehrkräfte besser zu verstehen und zu konzipieren. Die Wissenschaftler haben die Überzeugungen von Lehrern in Biographien analysiert.

Es gibt Studien zu den Meinungen über das Lehren und Lernen und darüber, wie sich Lehrende selbst als Pädagogen einschätzen. Biographien der Pädagogen sind sehr wichtig im Prozess der Entwicklung der beruflichen Identität (Kerby, 1991). Die Biographie wird von den Erfahrungen in der frühen Kindheit, Rollenmodellen, Lernerfahrungen, bedeutenden Persönlichkeiten und wichtigen Lebenserfahrungen beeinflusst. Die Ausbildung zum Pädagogen fängt dann an, wenn der Pädagoge sich selbst erforscht. Die Studien über die Entwicklung der beruflichen Identität der Lehrkräfte fördert unser Verständnis darüber, wie diese sich heute an den Universitäten fühlen und wie sie mit den vielen und schnellen Veränderungen zurechtkommen. Bei schnellen Veränderungen im Bildungsumfeld haben Coldorns und Smith (1999) Spannung zwischen dem Persönlichen und Beruflichen im Bildungsprozess der sozialen beruflichen Identität entdeckt.

Berufliche Identität ist kein stabiler Faktor, sie kann nicht als eine feste oder einheitliche Größe interpretiert werden. Sie ist komplex und das Selbstbild, das eine Vielzahl von Lehrerrollen realisieren muss, sucht dynamisch die Balance zwischen Professionalität und Subjektivität.

Historische, soziale, psychologische und kulturelle Faktoren können das Selbstwertgefühl der Lehrkraft beeinflussen. Darüber hinaus kann professionelle Identität aus vielen Subidentitäten bestehen, die einander widersprechen oder harmonisch einander bereichern. Wir können in Abhängigkeit von der sozialen Einstellung verschiedene Identitäten annehmen, jedoch muss es eine konsistente Beziehung zwischen diesen Identitäten geben, und diese ist von Bedeutung für die Entwicklung der beruflichen Identität. Die Lehrer arbeiten in einem Umfeld, das sehr überzeugend sein kann, sehr anspruchsvoll und in den meisten Fällen sehr restriktiv.

Mit beruflicher Identität ist Selbstbildung verbunden. Durch Selbstreflexion werden sich Lehrkräfte ihrer Erfahrung, ihres Wissens und ihrer Gefühle bewusst, sie sind bereit das sozial Bedeutsame in das Lehrerbild zu integrieren. Das Verständnis vom Konzept der beruflichen Identität der Lehrkraft bestimmt seine Reaktionen auf Ziele wie Wissenstransfer, ein gutes Ergebnis zu erzielen, Kommunikation, Indikatoren der Politikgestaltung in Bildung, “Expertentätigkeit” usw. Diese Ziele können auch als “Kompetenzen” bezeichnet werden. Die Denkweise hat Dillabough beschrieben, dabei betont er das Konzept des diskursiven Begriffs “Selbst”. Aber noch nicht analysiert sind Mechanismen der Sozialisation, bildungspolitischer Kontext, kulturelle Archetypen, Rolle der Familie, Lehrtraditionen und ihre Auswirkungen auf die Bildung der beruflichen Identität der Lehrer (Dillabough, 1999). Einige Studien sind mit dem Gefühl der beruflichen Identität der Lehrer, dem Status des Lehrerberufs, dem Ansehen in der Gesellschaft, sowie mit dem niedrigen Niveau der Lehrergehälter verbunden. Diese Fragen sind wichtig, um das emotionale Burnout von Lehrkräften, das Verlassen des Pädagogenberufes sowie die totale Feminisierung der Bildungsinstitutionen zu verhindern.

Die 1. Phase der Entwicklung der Forschungsmethodik wurde von Lehrkräften aus Riga (A. Špona, M. Vidnere, J. Jermolajeva) und Smolensk (N. Senchenkova, T. Bogdanova, S. Silchenkova) im Studienjahr 2013/14 an der Universität Smolensk eingeleitet. Die Methodik nach Emerson (2010) wurde für die pädagogische Studie adaptiert. Den Inhalt der beruflichen Identität der Lehrkraft bilden sechs Komponenten: „Philosophie des Berufes”, „berufliche Kenntnisse”, „die Rollen des Berufes”, „Kommunikation mit KollegInnen”, „berufliches Verhalten” und „soziale Aktivität”.

Es wurde eine Skala mit sechs Komponenten der beruflichen Identität zum Entdecken ihres Inhaltes entwickelt. Für jede der sechs Komponenten wurden 10 Hypothesen formuliert, die eine Selbstbewertung auf sechs Niveaus ermöglichten. Die Skalen wurden von Forschern für die Datenanalyse und Interpretation genutzt. Der Inhalt der Skalen wurde in die Fragebögen der Selbsteinschätzung integriert, die von Lehrkräften in Riga und Smolensk ausgefüllt wurden. Die Methodik wurde von den Lehrkräften an Hochschulen und Universitäten, als auch in den Doktorandengruppen angewandt.

In der 2. Phase wurde die Methodik nochmals modifiziert, zusammen mit KollegInnen aus Smolensk in Riga diskutiert, die Skalen wurden vervollständigt und korrigiert, ins Russische übersetzt und in zwei Kulturen wiederholt.

In der 3. Phase wurden die Daten analysiert und interpretiert, die Ergebnisse im Jahr 2015 diskutiert und im April 2016 auf der wissenschaftlichen Konferenz an der Akademie für Lehrerbildung und Bildungsadministration Riga vorgetragen.

In der Studie wurden Vergleichsergebnisse der beruflichen Identität der Lehrkräfte (Smolensk – Riga) festgehalten. Die statistische Datenanalyse hat es ermöglicht, die Auswirkung jeder Komponente auf die berufliche Identität auszuwerten und alle diese Zahlen untereinander zu vergleichen.

Abb. 1: Auswirkungen der Komponenten auf die berufliche Identität (Prozente aus der Faktorenanalyse).

Abb. 1: Auswirkungen der Komponenten auf die berufliche Identität (Prozente aus der Faktorenanalyse).

Weiter werden die Ergebnisse der Studie bei weiblichen und männlichen Lehrkräften illustriert.

Niveau Männer, % Frauen, %
Riga Smolensk Riga Smolensk
niedrig 5 2,6 4,4 1,7
mittel 23,9 24,2 12,0 14,7
hoch 71,1 73,2 83,6 83,7

Tafel 1: Philosophie des Berufes

Die Frauen in Riga und Smolensk sind mehr von der Bedeutung ihres Berufes überzeugt als die Männer.

Niveau Männer, % Frauen, %
Riga Smolensk Riga Smolensk
niedrig 5 6,3 2,9 4,4
mittel 32,1 32,1 16,9 17,0
hoch 65,9 61,6 80,2 78,6

Tafel 2: Berufliche Kenntnisse

Die Frauen in Riga und Smolensk interessieren sich mehr für Novitäten in Methodologie und Methodik der Bildung als die Männer, sie beherrschen eher als die Männer die neuesten Unterrichtsmethoden und folgen den aktuellen Trends im Bildungssystem.

Niveau Männer, % Frauen, %
Riga Smolensk Riga Smolensk
niedrig 7,5 3,7 3,4 3,0
mittel 29,6 28,4 12,0 17,2
hoch 62,9 67,9 84,6 79,8

Tafel 3: Die Rollen des Berufes

Die Frauen in Riga und Smolensk spielen ihre beruflichen Rollen besser als die Männer.

Niveau Männer, % Frauen, %
Riga Smolensk Riga Smolensk
niedrig 10,0 3,2 8,8 2,6
mittel 34,3 28,4 12,0 15,1
hoch 55,7 68,4 79,2 82,3

Tafel 4: Berufliches Verhalten

Die Frauen lieben ihren Beruf mehr als die Männer und fühlen sich im Einklang mit ihrem Beruf.

Niveau Männer, % Frauen, %
Riga Smolensk Riga Smolensk
niedrig 11,0 15,3 9,7 12,6
mittel 37,9 34,2 24,4 25,1
hoch 51,1 50,5 65,9 62,3

Tafel 5: Kommunikation mit KollegInnen

Die Frauen sind aktiver in der Kommunikation mit ihren Kolleginnen als die Männer.

Niveau Männer, % Frauen, %
Riga Smolensk Riga Smolensk
niedrig 20,7 17,9 13,8 13,1
mittel 34,3 39,5 22,4 24,1
hoch 45,0 42,6 63,8 62,8

Tafel 6: Soziale Aktivität

Die Frauen sind sozial aktiver als die Männer.

Zusammenfassung und Interpretation

Die Auffassungen von beruflichen Werten bei männlichen und weiblichen Lehrkräften unterscheiden sich. Die Ergebnisse unserer Studie sind ähnlich wie die von Ecker (1998). Für Männer sind Sicherheit, Konkurrenzfähigkeit und Gehalt wichtiger als für Frauen. Erfolg für Frauen bedeutet persönliches Wachstum und ist auch wichtig. Frauen arbeiten mehr teilzeit, weniger Frauen führen akademische Titel, sie sind auch in der Verwaltung weniger vertreten. Also kann man von der Diskriminierung der Frauen an den Universitäten sprechen.

Erfolge und ihre Unterschiede haben auch Gattiker und Larwood analysiert (1989). Die individuellen Auffassungen von Lehrkräften über die beruflichen Wünsche und Erfolge beeinflussen ihre Karriere. Meistens ist die Rede von äußeren Kennzeichen wie Gehalt und Wochenstunden. Diesbezüglich sind die Männer stärker interessiert. Die Frauen brauchen für ihre Motivation Harmonie und Freundschaft. Die Mӓnner dagegen eher finanzielle Sicherheit, Ansehen, Aktivität, z.B. Teilnahme an Konferenzen, Veröffentlichungen, Teilnahme an der Verwaltung. Das sind unterschiedliche Werte der beruflichen Identität bei Frauen und Männern.

Die berufliche Identität der Lehrkräfte an jeder Universität wird durch gemeinsame Ziele, ethische Standards, Interaktion, Werte, Einstellungen zur Kompetenz, pädagogische, soziale und kulturelle Bedürfnisse gekennzeichnet. In einer kreativen modernen Hochschule entwickelt sich eine kollektive Identität, die durch ein bestimmtes Ziel gekennzeichnet wird, welches beruflich innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erreichen ist. Ein gemeinsames berufliches Ziel kann die berufliche Identität einer jeden Lehrkraft beeinflussen.

Beim Vergleich der beruflichen Identität von Lehrkräften aus den beiden Universitäten in den Ländern Lettland und Russland haben wir in unserer Studie keine gravierenden Unterschiede in Bezug auf denEinfluss der Komponenten auf die berufliche Identität festgestellt. Alle Korrelationskoeffizienten waren signifikant. Die größten Auswirkungen auf die berufliche Identität der Lehrkräfte haben “berufliches Verhalten” und ”die Rolle des Berufes”. Dies spiegelt die objektive Notwendigkeit der humanen Zusammenarbeit zwischen Student und Lehrkraft wider. Die statistische Datenanalyse zeigt, dass die von uns entwickelte Methodik auch bei Forschungen beruflicher Identität in anderen Kulturen verwendbar ist.

Literatur

  • Coldorns, J. & Smith, R. (1999): Active location in teachers construction of their Professional identities. In:Curriculum Studies, 31(6), pp.711-726.
  • Dillabough, J. (1999): Gender Politics and Conceptions of the Modern Teacher: Women, identity and professionalism. In: British Journal of Sociology of Education. 20 (3), pp. 373-394.
  • Ecker, H. (1998): Review of: McGoldrick, M., Giordanoa, J. & Pearce, I. K. (Eds.): Ethnicity and Family Therapy (2 ed.). In: Journal of Family Psychoterapy, 9 (3), pp. 90-92.
  • Emerson, C. H. (2010): Counselor Professional identity: Construction and validation of the counselor professional identity measure. ProQuest Dissertations and These database (UMI No. 3403686).
  • Gadamer, H. G. (1999): Patiesība un metode (Wahrheit und Methode). Rīga: Jumava.
  • Gattiker, U. E. & Larwood, L. (1989): Career success, mobility and extrinsic satisfaction of corporate managers. In: Social Science Journal, 26, pp. 75-92.
  • Graumann, O. & Diel, I. (2011): Дидактические модeли и методы билингвального обученея в вузе. В: Сб. Научных статей и материалов Международной научно-методической конференции. Смоленск: СмолГУ, стр. 15-30.
  • Hegel, F.V. (1979): Phänomenologie des Geistes. Werke. Band 3, Frankfurt a.M.
  • Hillmann, K.H. (1994): Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart: Kröner.
  • Kerby, A. (1991): Narrativa and the self. Bloomington: India University Press.
  • Kirkegors, S. (2008): Eksistence un komunikācija (Sērena Kirkegora filosofija). Rīga: LU Filozofijas un socioloģijas institūts.
  • Komenskis, J. A. (1992): Lielā didaktika. Rīga: Zvaigzne.
  • Maurina, Z. (1951): Die weite Fahrt – Eine Passion. Memmingen: Maximilian Dietrich Verlag.
  • Nietzsche, F. (1964): Also sprach Zarathustra. Stuttgart: Kröner.
  • Siebert, H. (1953): Adolph Diesterweg: Seine Bedeutung für die Entwicklung der Erziehung und Bildung in Deutschland. Berlin: Volk und Wissen Volkseigener Verlag.
  • Кант, И. (1967): Критика практического разума. In: Кант, И: Сочинения: в 6 т.; т. 4., ч. 1. Москва: Мысль.

Über die Autorin

Prof. Dr. habil. paed. Ausma Spona: Riga Teacher Training and Educational Management Academy, Riga (Lettland). Kontakt: ausma@lanet.lv

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